Während die Häresie- und Frömmigkeitsgeschichte klassischen Zuschnitts nach Glaubensinhalten, Verfolgungsstrategien und theologischen Argumenten gegen Häretiker gefragt hat, tritt in jüngeren Forschungsarbeiten ein pragmatischerer Ansatz bei der Untersuchung von religiöser Devianz in den Vordergrund. Der Blick richtet sich nun auch auf die „Verketzerung“ von unliebsamen Konkurrenten und Gegnern und die Instrumentalisierung der Inquisitionsverfahren als Mittel in sozialen, religiösen und politischen Auseinandersetzungen. In manchen Studien, wie etwa neueren Arbeiten zu den Katharer von Mark Gregory Pegg und Robert Moore, wird die Existenz von Häresien angesichts der Aufdeckung solcher Mechanismen sogar vollständig infrage gestellt. Im Vortrag werden diese neuen Ansätze der Forschung kritisch auf den Prüfstand gestellt und auf ihren Nutzen für landesgeschichtliche Fragestellungen hin untersucht. Anhand von Beispielen aus dem mitteldeutschen Raum sollen die Zusammenhänge von Ketzerverfolgungen und Konflikten vor allem in Städten betrachtet werden, vor allem unter dem Aspekt, welche Einblicke die Auswertung der im Inquisitions-Kontext überlieferten Quellen in Handlungsspielräume und Repräsentation politischer Akteure im Spätmittelalter gewähren kann.
PD Dr. Ingrid Würth studierte in Jena und Siena Mittelalterliche Geschichte, Alte Geschichte und Germanistik. Die Promotion erfolgte 2011 mit einer Arbeit über die Geißler in Thüringen. Bis 2020 war sie als wiss. Mitarbeiterin in Halle tätig, zuletzt für die Vorarbeiten zu einem Klosterbuch für das Land Sachsen-Anhalt. 2019 Habilitation (Thema „Regnum statt Interregnum. König Wilhelm, 1247-1256“). Seit WS 2021/22 Vertretung der Professur für Mittelalterliche Geschichte in Leipzig.
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Sprecherin: Prof. Dr. Cornelia Linde
Lehrstuhl für Allgemeine Geschichte des Mittelalters
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