Entlang tektonischer Verwerfungen baut sich Spannung auf, während Erdplatten aneinander vorbeigleiten. Sobald die Belastbarkeit eines Gesteinskörpers überschritten ist, entlädt sich die Spannung in Form eines Erdbebens. Bisher war es jedoch schwierig zu bestimmen, wie viel Spannung sich vor einem Beben angesammelt hat – und ob stärkere Gesteine tatsächlich größere Energiemengen freisetzen.
Die aktuelle Studie eines Teams rund um Dr. Gian Maria Bocchini der Ruhr-Universität Bochum und Prof. Dr. Armin Dielforder von der Universität Greifswald zeigt nun: Je tiefer ein Erdbeben entsteht, desto größer ist der Spannungsabfall und desto mehr Energie wird freigesetzt. Da die Festigkeit des Gesteins in größeren Tiefen höher ist, bedeutet dies, dass seismologische Daten genutzt werden können, um Rückschlüsse auf die relative Festigkeit der Erdkruste zu ziehen.
„Unsere Ergebnisse liefern eine physikalische Grundlage für den Zusammenhang zwischen der Freisetzung von Spannungen während Erdbeben und der Stärke der Verwerfungen“, erklärt Dr. Gian Maria Bocchini. „Damit können wir aus seismologischen Messungen ableiten, wie widerstandsfähig das Gestein in bestimmten Regionen ist – etwas, das bisher nur sehr schwer zu bestimmen war.“
Auswertung umfangreicher Daten aus Japan
Für ihre Analyse untersuchte das Team Erdbebendaten aus Nordostjapan über einen Zeitraum von elf Jahren nach dem Tohoku-Oki-Erdbeben von 2011 (Magnitude 9,0). Die Region gilt als seismologisch besonders gut überwacht. In der Auswertung zeigte sich ein deutlicher Trend: Mit zunehmender Tiefe eines Erdbebens steigt der Spannungsabfall.
Durch Vergleich mit numerischen Modellen konnten die Forschenden zeigen, dass stärkere Verwerfungen höhere Spannungen aushalten – und beim Brechen folglich größere Energiemengen freisetzen.
Konstante Festigkeit im Zeitverlauf
„Interessanterweise haben sich die Spannungsabfallwerte in all den Jahren nach dem Tohoku-Oki-Erdbeben kaum verändert“, merkt Prof. Dr. Armin Dielforder von der Universität Greifswald an. „Die Festigkeit von Verwerfungen scheint über die Zeit hinweg konstant zu sein, was zum Verständnis von Nachbebensequenzen beitragen könnte.“
Bedeutung für zukünftige Erdbebenforschung
Die Studie liefert nicht nur eine Erklärung für bisher widersprüchliche Beobachtungen, sondern schafft auch eine Grundlage, um die mechanischen Eigenschaften der Erdkruste künftig genauer zu modellieren. Langfristig könnten die Ergebnisse dazu beitragen, das Verständnis von Erdbebenprozessen und damit die seismische Gefahrenabschätzung zu verbessern.
Weitere Informationen
Publikation: Bocchini, G. M., Dielforder, A., Kemna, K. B., Harrington, R. M., & Cochran, E. S.: Earthquake stress-drop values delineate spatial variations in maximum shear stress in the Japanese forearc lithosphere, in: Communications Earth & Environment, 2025, https://doi.org/10.1038/s43247-025-02877-y.
Ansprechpartner an der Universität Greifswald
Prof. Dr. Armin Dielforder
Institut für Geographie und Geologie
Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße 17 A, 17489 Greifswald
Telefon +49 3834 420 4560
armin.dielforderuni-greifswaldde

