In dem Vortrag möchte Dirk von Petersdorff einen Vorschlag machen, wie sich die Kultur der Gegenwart verstehen lässt. Kultur wird dabei in einem weiteren Sinn verstanden, der auch Lebensformen und Denkweisen umfasst. Als entscheidender Einschnitt werden, darin der neueren Geschichtswissenschaft folgend, die späten 1970er-Jahre angesehen. Denn seitdem kommt es mit dem „Ende der großen Erzählungen“, der Absage an Fortschrittsvorstellungen, auch in den Künsten, und der Auflösung von politischen und kulturellen Grenzen zu starken Freiheitsgewinnen. Allerdings suchen Menschen mit ungesicherten Identitäten auch nach Zugehörigkeiten, die neu ausgehandelt und formuliert werden müssen. Als Zeugnisse dafür wird abschließend auf Bücher von Herta Müller, Wolfgang Herrndorf, Benjamin von Stuckrad-Barre und Judith Hermann hingewiesen.
Dirk von Petersdorff lehrt an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er veröffentlichte mehrere Gedichtbände, eine Auswahl findet sich in der Sammlung: Nimm den langen Weg nach Haus, 2. Auflage 2017. Er erhielt unter anderem den Kleist-Preis und den Preis der LiteraTour Nord, war Fellow am Wissenschaftskolleg in Berlin und Writer-in-Residence an der Washington University St. Louis. Zuletzt erschienen Romantik. Eine Einführung, 2020, die Novelle Gewittergäste, 2022, sowie aktuell die Gedichtanthologie: Der ewige Brunnen. Deutsche Gedichte aus 12 Jahrhunderten. Im Sommersemester 2023 ist er Senior Fellow im Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald.
Moderation: Professor Dr. Eckhard Schumacher