Experimentalphysiker definieren ultraschnellen, kohärenten Magnetismus neu

Auf der Attosekunden Zeitskala: Wenige Zyklen eines Lichtpulses treiben die ultraschnelle Magnetisierung, dargestellt durch rote Pfeile, an der Grenzfläche der Materialien. – Grafik: J. K. Dehurst
Auf der Attosekunden Zeitskala: Wenige Zyklen eines Lichtpulses treiben die ultraschnelle Magnetisierung, dargestellt durch rote Pfeile, an der Grenzfläche der Materialien. – Grafik: J. K. Dehurst

Elektronische Eigenschaften von Materialien lassen sich mittels Lichtabsorption direkt und unmittelbar innerhalb von weniger als einer Femtosekunde (10-15 Sekunden) beeinflussen, was als die Grenze für die maximal erreichbare Geschwindigkeit elektronischer Schaltkreise gilt. Das magnetische Moment von Materie hingegen ließ sich bis dato nur über einen Licht und Magnetismus verknüpfenden Prozess und den Umweg über Magnetfelder beeinflussen, weshalb magnetisches Schalten bisher ungleich länger und wenigstens einige hundert Femtosekunden dauert. Ein Konsortium aus Forschenden der Max-Planck-Institute für Quantenoptik und Mikrostrukturphysik, des Max-Born Instituts, des Instituts für Physik der Universität Greifswald und der Technischen Universität Graz konnte nun erstmals die magnetischen Eigenschaften eines ferromagnetischen Materials auf der Zeitskala von elektrischen Feldschwingungen des Lichts – und somit synchron zu den elektrischen Eigenschaften – mittels Laserblitzen manipulieren. Die Beeinflussung konnte um den Faktor 200 beschleunigt werden und wurde mittels Attosekunden-Spektroskopie gemessen sowie zeitaufgelöst dargestellt.

Zusammensetzung des Materials als entscheidendes Kriterium

Bei der Attosekunden-Spektroskopie werden magnetische Materialien mit ultrakurzen Laserpulsen beleuchtet und elektronisch beeinflusst. „Die Lichtblitze setzen im Material einen intrinsischen und üblicherweise verzögernden Prozess in Gang. Dieser übersetzt die elektronische Anregung in eine Änderung der magnetischen Eigenschaften“, erklärt Martin Schultze, bis vor kurzem am Münchner Max-Planck-Institut für Quantenoptik tätig und nun Universitätsprofessor am Institut für Experimentalphysik der TU Graz. Aufgrund der Kombination eines Ferromagnets mit einem nicht-magnetischen Metall ließ sich die magnetische Reaktion im beschriebenen Experiment jedoch genauso schnell herbeiführen, wie die elektronische. „Durch die spezielle Konstellation konnten wir optisch eine räumliche Umverteilung der Ladungsträger bewirken, die eine direkt damit verknüpfte Änderung der magnetischen Eigenschaften zur Folge hatte“, so Markus Münzenberg. Er hat mit seinem Team in Greifswald die speziellen Materialsysteme entwickelt und hergestellt.

Schultze zeigt sich begeistert von der Dimension des Forschungserfolges: „Noch nie wurde ein so schnelles magnetisches Phänomen beobachtet. Ultrafast Magnetism bekommt dadurch eine völlig neue Bedeutung.“ Auch Sangeeta Sharma, Forscherin am Max-Born-Institut Berlin, die den zugrundeliegenden Prozess mittels Computermodellen vorhergesagt hat, ist beeindruckt: „Wir erwarten uns dadurch einen signifikanten Entwicklungsschub für sämtliche Anwendungen, bei denen Magnetismus und Elektronenspin eine Rolle spielen.“

Erster Schritt in Richtung eines kohärenten Magnetismus

Darüber hinaus konnten die Forschenden im Rahmen ihrer Messungen zeigen, dass der beobachtete Prozess kohärent verläuft, die quantenmechanische Wellennatur der bewegten Ladungsträger also erhalten bleibt. Diese Bedingungen erlauben es Forschenden, anstatt größerer Materieeinheiten einzelne Atome als Informationsträger zu nutzen oder die geänderten magnetischen Eigenschaften mit einem weiteren, zeitverzögerten Laserblitz gezielt zu beeinflussen und so die technologische Miniaturisierung weiter voranzutreiben. „Perspektivisch könnte das im Bereich des Magnetismus zu ähnlich fantastischen Entwicklungen führen, wie elektronische Kohärenzen in Richtung Quantencomputing“, hofft Schultze, der am Institut für Experimentalphysik nun eine Arbeitsgruppe mit Schwerpunkt auf die Attosekundenphysik leitet.

Untersuchung ultraschneller Prozesse an der Universität Greifswald

Ultraschnelle Spintronik ist Forschungsschwerpunkt der Forscher an der Universität Greifswald: Mit Nanostrukturierung, Reinraum und Schichtpräparation verknüpfen diese Lichtwellen getriebene, ultraschnelle Prozesse und erforschen damit neue Grenzen der Spinelektronik, aus der sich auch Anwendungen und Projekte im Bereich der Bionanophysik und Medizin am Forschungscampus Greifswald ergeben.

Weitere Informationen
F. Siegrist, J. A. Gessner, M. Ossiander, C. Denker, Y.-P. Chang, M. C. Schroeder, A. Guggenmos, Y. Cui, J. Walowski, U. Martens, J. K. Dewhurst, U. Kleineberg, M. Münzenberg, S. Sharma, M. Schultze, „Light-wave dynamic control of magnetism“, Nature 570 (2019), http://dx.doi.org/10.1038/s41586-019-1333-x
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Ansprechpartner

Prof. Dr. Martin Schultze
TU Graz | Institut für Experimentalphysik
Petersgasse 16, 8010 Graz/Österreich
Telefon +43 316 873 8142
schultze@tugraz.at

Dr. Sangeeta Sharma
Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie
Max-Born-Straße 2 A, 12489 Berlin
Telefon +49 30 6392 1321
sharma@mbi-berlin.de

Prof. Dr. Markus Münzenberg
Universität Greifswald | Institut für Physik
Felix-Hausdorff-Straße 6, 17489 Greifswald
Telefon +49 3834 420-4780
markus.muenzenberguni-greifswaldde

 

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