Humanoider Roboter als Rehabilitationstherapeut für Schlaganfallpatientinnen und -patienten

Therapiesituation mit einem humanoiden Roboter,
Therapiesituation mit einem humanoiden Roboter, © Thomas Platz
Prof. Dr. Thomas Platz und ein humanoider Roboter.
Prof. Dr. Thomas Platz und ein humanoider Roboter, © Laura Schirrmeister, 2021

Greifswalder Wissenschaftler*innen der Universitätsmedizin und Universität Greifswald wollen die Rehabilitation nach einem Schlaganfall durch künstliche Intelligenz und den Einsatz eines humanoiden Roboters verbessern. Gemeinsam mit Forschenden aus dem Institut für Informatik der Universität Rostock und der Hochschule Neubrandenburg arbeiten sie seit drei Jahren an neuen und besseren Wegen. Rehabilitatives Training ist anspruchsvoll und anstrengend, Patienten und Patientinnen brauchen umfassende Anleitung, die der humanoide Roboter dank künstlicher Intelligenz geben kann. Auch bevorzugen Betroffene die menschenähnliche Gestalt mehr als eine reine Computeranwendung. Der humanoide Roboter gibt Anweisungen, die bildhaft mit Fotos und Videos erläutert werden. Zudem gibt er Feedback zu Trainingsleistungen und -fortschritten. Er fragt nach, ob eine Pause benötigt wird und ob die Patientin und Patienten nach einem Übungsdurchgang bereit sind, weiterzumachen. Und das alles mit einer netten und freundlichen Art, mit Aufmerksamkeit für die zu Behandelnden und natürlichen Gesten.

Im Vergleich zu Trainingseinheiten mit menschlichen Therapeutinnen und Therapeuten, die die gleiche Art von Armrehabilitation (Arm-Basis-Training, ABT, oder Arm-Fähigkeits-Training, AFT) durchführten, war das „Gesamtbild“ der therapeutischen Anleitung durch den humanoiden Roboter bemerkenswert vergleichbar mit der Anleitung durch menschliche Therapeutinnen und Therapeuten. Wie und warum das verordnete Training einer Patientin oder einem Patienten hilft, das individuelle Behandlungsziel zu erreichen, erläuterte der Roboter sogar häufiger. Einige Unterschiede betrafen technische Einschränkungen, zum Beispiel kann der Roboter das Innervationsmuster (ABT) der zu Behandelnden nicht erfassen und auch nicht spontane, von Patientinnen und Patienten gemachte Äußerungen registrieren und darauf reagieren. Wichtig ist, dass Patientinnen und Patienten, die vom humanoiden Roboter angeleitete Armrehabilitation erhielten, bei diesen Sitzungen genauso konzentriert und engagiert waren wie Patientinnen und Patienten, die von menschlichen Therapeutinnen und Therapeutenbehandelt wurden. Das war nicht nur der Fall, als das Training begann und alles neu und „aufregend“ war, sondern auch nach zwei Wochen intensivem täglichen Training mit dem humanoiden Roboter.

„Unseres Wissens ist dies das erste therapeutische Expertensystem in der Neurorehabilitation, das einen humanoiden Roboter verwendet, der verschiedene Therapieformen so umfassend und weitgehend autonom anbietet. Aktuell untersuchen wir seine klinische Wirksamkeit. Die veröffentlichte Studie weist auf einen wichtigen Meilenstein unserer Forschung hin: Es besteht große Ähnlichkeit des individualisierten Coachings, das der humanoide Roboter durchführt, mit dem von menschlichen Therapeuten und Therapeutinnen, die die gleichen Formen einer Armrehabilitation anbieten. Das ist eine wichtige Bestätigung unserer Arbeit“, sagt Prof. Dr. Thomas Platz, Leiter der AG Neurorehabilitation der Universitätsmedizin Greifswald (UMG), der die Forschung initiierte und koordinierte. „Dabei geht es nicht darum, Therapeutinnen und Therapeuten zu ersetzen; in der Zukunft werden wir mehr Fachkräfte brauchen. Humanoide Roboter könnten in der Therapie zukünftig jedoch dabei unterstützen, mehr Schlaganfall-Betroffenen ein intensiveres Training zu ermöglichen und damit ihre Genesung bestmöglich zu fördern.“

Weitere beteiligte Forscher sind Philipp Deutsch und Ann Louise Pedersen von der AG Neurorehabilitation und Alexandru-Nicolae Umlauft sowie Sebastian Bader vom Institut für Informatik der Universität Rostock.

Die Forschung ist Teil der Verbundforschung „E-BRAiN – Evidenzbasierte Robot-Assistenz in der Neurorehabilitation“ des Exzellenzforschungsprogramms des Landes Mecklenburg-Vorpommern, das mit Mitteln des Ministerium für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Mecklenburg-Vorpommern und der Europäischen Union aus dem Europäischen Sozialfond (ESF/14-BM-A55-0001/19-A04) gefördert wurde.

Schlaganfallbetroffene mit inkompletter Armparese oder Neglect (Vernachlässigung einer Körper- bzw. Raumseite), die an dieser Forschung teilnehmen und eine kostenlose intensive Rehabilitationsbehandlung erhalten möchten, können uns kontaktieren (Details siehe https://www.ebrain-science.de/de/informationen-fuer-patienten/studienteilnahme/).  

Quelle
Platz T, Pedersen AL, Deutsch P, Umlauft A-N and Bader S (2023) Analysis of the therapeutic interaction provided by a humanoid robot serving stroke survivors as a therapeutic assistant for arm rehabilitation. Front. Robot. AI 10:1103017. doi: 10.3389/frobt.2023.1103017

Weitere Informationen
AG Neurorehabilitation
E-BRAiN

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Das Foto veranschaulicht die therapeutischen Situation mit dem digitalen therapeutische System E-BRAiN unter Verwendung eines humanoiden Roboters. Der Roboter übernimmt die gesamte therapeutische Interaktion während Armrehabilitationssitzungen (hier beim Arm-Fähigkeits-Training, AAT für leichte Armparese) für eine Schlaganfallbetroffene. Beachten Sie, dass die Patientin in diesem Szenario für das AAT den (leicht) betroffenen rechten Arm ohne physische Unterstützung trainieren kann; hier übernimmt der Roboter die gesamte therapeutische Interaktion (gibt Information, Feedback, persönliche Interaktion), während die Patientin durch eine Abfolge von Trainingsaufgaben geführt wird. Das betreuende Personal im Hintergrund überwacht nur die Situation und ist bereit einzugreifen, falls das auf autonomen Betrieb ausgelegte System einen Fehler aufweist oder ein Patientenbedürfnis auftritt, das vom System nicht erfüllt werden kann.
Das Foto kann für redaktionelle Zwecke im Zusammenhang mit dieser Medieninformation kostenlos heruntergeladen und genutzt werden. Dabei ist der Name des Bildautors zu nennen. https://cloud.med.uni-greifswald.de/index.php/s/cd7c7ick19yfrqw (Passwort ROBOT)

Ansprechpartner an der Universitätsmedizin Greifswald
Prof. Dr. med. Thomas Platz
AG Neurorehabilitation der Universitätsmedizin Greifswald &
Institut für Neurorehabilitation und Evidenzbasierung (An-Institut), BDH-Klinik Greifswald
Fleischmannstraße 44, 17475 Greifswald
Telefon +49 03834 871 490
thomas.platzuni-greifswaldde
ResearchGate: https://www.researchgate.net/profile/Thomas-Platz-2

 

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