Invasive Ausbreitung des Karstweißlings minimiert genetische Vielfalt der Schmetterlingsart in Europa

Forschung
Die Grafik zeift, wie sich der Karstweißling genetisch verändert.
Der Karstweißling verändert sich genetisch. Grafik: Olivia Fischer, Universität Basel

Bis der Zoologe und Leiter der Studie, Dr. Daniel Berner, von der Universität Basel bemerkte, dass eine eigentlich ortsfremde Schmetterlingsart in seinem Garten heimisch ist, dauerte es eine Weile. Aber plötzlich sah er ihn überall: Pieris mannii, auch bekannt als Karstweißling, etwa vier Zentimeter Flügelspannweite, weiße Flügel mit großen schwarzen Flecken.

Bis vor wenigen Jahren gab es in der Schweiz nur einige kleine lokale Populationen im Wallis und im Tessin dieser hauptsächlich mediterranen Art. Um das Jahr 2005 begann der Schmetterling dann offensichtlich seine Reise nach Norden und Osten. „Mittlerweile wurde das Tier an der Nordsee, in Tschechien und Polen nachgewiesen. In Mecklenburg-Vorpommern wurde der Karstweißling erstmals 2020 nachgewiesen“, so Prof. Dr. Peter Michalik vom Zoologischen Institut und Museum der Universität Greifswald.

Vergleich mit Museumsobjekten

Mit seiner Ausbreitung ging allerdings ein großer genetischer Verlust einher. «Wir konnten nachweisen, dass der Karstweißling auf seinem Invasionszug lokale Populationen seiner eigenen Art genetisch vereinheitlicht hat», erzählt der Studienleiter PD Dr. Daniel Berner von der Universität Basel. Gemeinsam mit Forschenden der Universität Greifswald und dem Senckenberg Deutschen Entomologischen Institut Müncheberg hat er untersucht, wie sich die Ausbreitung des Schmetterlings auf die innerartliche Vielfalt ausgewirkt hat. Dabei verglichen sie das Erbgut frisch eingefangener Tiere mit jenem von Museumsobjekten, die deutlich älter sind, also vor Beginn der Invasion eingefangen und konserviert wurden. So konnten sie nachweisen, dass die genetische Zusammensetzung der untersuchten lokalen Populationen sich stark verändert hat: Ein Großteil des ursprünglichen Erbguts ist jetzt ersetzt durch dasjenige der Population, die sich ausgebreitet hat.

«Ohne den Vergleich mit den Museumsobjekten wäre uns diese genetische Veränderung nicht aufgefallen», so Daniel Berner. Die Forschenden konnten für ihre Untersuchungen Tiere aus der Sammlung des Naturhistorischen Museums Bern sequenzieren und so die Schmetterlinge genetisch charakterisieren. Ein großes Glück war, dass der ausgewiesene und bekannte Schweizer Schmetterlingskundler Heiner Ziegler ausgerechnet vom Karstweißling über Jahrzehnte eine umfangreiche Belegsammlung zusammengetragen hatte, die hier genutzt werden konnte.

Lieblingspflanzen in Gärten

Die zunehmende Urbanisierung begünstigt die rasche Ausbreitung des Schmetterlings. Er fliegt nur selten weite Strecken; während der rund drei Wochen seines Lebens bewegt er sich normalerweise im Umfeld seines Geburtsortes, in dem auch die Nahrungspflanzen der Raupen gedeihen – Rucola und vor allem Bauernsenf. Gerade letzterer ist in Gärten im Siedlungsgebiet weit verbreitet. Die fortschreitende Ausdehnung des Siedlungsraumes schuf somit für den Karstweißling günstige Bedingungen, sich weit auszubreiten.

Hinzu kommt, dass sich der Karstweißling nicht nur in einer, sondern in fünf bis sechs Generation pro Jahr fortpflanzt. «So schafft es diese Art, im neu besiedelten Gebiet rasch individuenreiche Populationen aufzubauen, was die Besiedlung von Neuland über große Strecken begünstigt», erklärt Daniel Berner. Es sei sehr wahrscheinlich, dass dieser Schmetterling sich noch weiter ausbreitet, sofern seine Nahrungspflanzen verfügbar sind.

Ausbreitung und genetische Vermischung – Verlust oder Gewinn?

Aus der Sicht des Naturschutzes ist die Ausbreitung des Karstweißlings zwiespältig. Da die Art im neu besiedelten Raum weitgehend vom Menschen gestaltete Lebensräume nutzt, ist Konkurrenz mit einheimischen Schmetterlingen nicht zu erwarten. Außerdem ist diese Schmetterlingsart aktuell dank der Ausbreitung insgesamt viel individuenreicher, was generell ihr Aussterberisiko vermindert. Diesen positiven Aspekten steht allerdings das Verschwinden von über Jahrtausende entstandener genetischer Vielfalt gegenüber: «Es gehört zwar zum Schicksal von Lebewesen, dass lokale Gruppen aussterben können. Besonders an der Situation des Karstweißlings ist aber, dass der Verlust an ursprünglicher Populationsvielfalt mit der Ausweitung des Siedlungsraumes einhergeht, und somit menschgemacht ist.»

Weshalb gerade der Karstweißling zu einer großen Expansion aufgebrochen ist und wo sie genau begann, wissen die Forschenden noch nicht. «Auf der Seite des Schmetterlings ist vermutlich nichts fundamentales Neues passiert: Wir finden keine Anzeichen großer genetischer Veränderung in der expansiven Population. Und der Klimawandel scheint in diesem Fall auch keine Schlüsselrolle zu spielen», so Daniel Berner. Diesen Fragen wollen die Forschenden weiter nachgehen.

Originalpublikation
Lucas A. Blattner, Dustin Kulanek, Simona Ruffener, Heiner Ziegler, Hans-Peter Wymann, Martin Wiemers, Peter Michalik, Daniel Berner
Urbanization-associated range expansion genetically homogenizes a butterfly species
Current Biology (2024), https://doi.org/10.1016/j.cub.2024.09.006

Weitere Informationen
Research Training Group (DFG-RTG 2010) RESPONSE

Ansprechpartner an der Universität Greifswald
Prof. Dr. Peter Michalik
Zoologisches Institut und Museum
Loitzer Straße 26, 17489 Greifswald
Telefon +49 (0)3834 420 4099
michalikuni-greifswaldde

Medieninformation


Zurück zu allen Meldungen