Verlorenes Kulturerbe wird zu virtuellem Erinnerungsort im Projekt TRANSRAZ

Der Nürnberger Hauptmarkt im 3D-Modell der Zeitstufe um 1910 – Foto: Toporaz/FIZ Karlsruhe
Der Nürnberger Hauptmarkt im 3D-Modell der Zeitstufe um 1910 – Foto: Toporaz/FIZ Karlsruhe

Die Stadt Nürnberg war bis zum Zweiten Weltkrieg eine der großen europäischen Metropolen, mit einem hervorragend erhaltenen historischen Stadtbild, das als Gesamtkunstwerk galt. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt von alliierten Bomberverbänden fast völlig zerstört. Der größte Teil der historischen Bausubstanz ging unwiederbringlich verloren und ist aus dem kulturellen Gedächtnis der Öffentlichkeit weitgehend verschwunden.

Von 2015 bis 2018 hat ein Wissenschaftsnetzwerk der Universitäten Greifswald, Köln und Darmstadt unter Leitung von FIZ Karlsruhe – Leibniz Institut für Informationsinfrastruktur im Projekt TOPORAZ – Topographie in Raum und Zeit ein digitales Raum-Zeit-Modell für vernetzte Forschung am Beispiel der Stadt Nürnberg entwickelt. Mit der innovativen virtuellen Forschungsumgebung lässt sich die zerstörte Stadt wiederbeleben, dokumentieren und visualisieren. Mit dem Projekt TRANSRAZ der Universität Greifswald und FIZ Karlsruhe sollen die Technologie, das Wissen und die Erfahrungen des vorhergehenden Forschungsprojekts erweitert, einer breiten Öffentlichkeit vermittelt und nachhaltig nutzbar gemacht werden.

Dreidimensionale digitale Modelle rekonstruierten den Nürnberger Stadtraum rund um den altstädtischen Hauptmarkt in vier Zeitebenen von der Barockzeit bis zur Gegenwart (17. bis 21. Jahrhundert). Die Mitarbeitenden der Universität Greifswald erstellten die mit den Modellen verbundene Datenbank. Darin erschließen sie Schriftquellen seit dem Mittelalter. Außerdem versehen sie die Grafiken, Zeichnungen, Fotografien und Filme, die in großer Zahl überliefert sind, mit Metadaten und verlinken sie mit den Stadtmodellen. Damit werden die historischen Quellen direkt mit den Orten im Modell verbunden, an denen sie entstanden und auf die sie sich beziehen. Durch diese Vernetzung entsteht neues Wissen.

Für das Projekt TRANSRAZ sind Anwendungen im Bereich von Bildungseinrichtungen und Museen geplant. Schon jetzt lassen sich Themenrundgänge entlang der historischen Zeitschichten durch die Stadt und das jeweilige Stadtleben gestalten. Ein wichtiges Ziel ist die Interaktion mit Bürgerinnen und Bürgern – Citizen Science. Sie können eine interaktive Beteiligungsplattform nutzen und mit ihren eigenen Informationen anreichern. So lässt sich ganz neues Quellenmaterial erschließen – beispielsweise Fotografien aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, auf denen Außenfassaden oder Innenräume vor deren Zerstörung zu sehen sind.

„Es ist in der Epoche der Digitalisierung von elementarer Bedeutung für die Geisteswissenschaften, mit den außeruniversitären Forschungsinstituten insbesondere der Informationsinfrastruktur in den Dialog zu treten. In TOPORAZ und dem Folgeprojekt TRANSRAZ wurden und werden neue Wege der Kooperation ausgelotet. Sie erschließen historisches Wissen für die Studierenden und Forschenden der Gegenwart auf höchst innovative

Art und Weise. Wissen wird transparent und bleibt nachweisbar. Das ist in Zeiten von Fake News unabdingbar“, so Prof. Dr. Gerhard Weilandt, Inhaber des Lehrstuhls für Kunstgeschichte am Caspar-David-Friedrich-Institut der Universität Greifswald.

Die Leibniz-Gemeinschaft fördert TRANSRAZ in den kommenden drei Jahren mit 960.000 Euro. Davon entfallen 360.000 Euro auf die Universität Greifswald. Projektstart ist im März 2020.


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Ansprechpartner an der Universität Greifswald
Prof. Dr. Gerhard Weilandt
Caspar-David-Friedrich-Institut
Lehrstuhl Kunstgeschichte
Rubenowstraße 2 B, 17489 Greifswald
Telefon +49 3834 420 3251
gerhard.weilandtuni-greifswaldde
cdfi.kunst.geschichteuni-greifswaldde

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