Wer war Ernst Moritz Arndt?

Ernst Moritz Arndt (1769–1860) gehört einer Generation an, die Schlüsselbegriffe des politischen Denkens und der Kultur der Moderne einem tiefgreifenden Bedeutungswandel unterzogen hat, der bis heute nachwirkt. Er hat diesen Prozess öffentlich begleitet und mitgestaltet – ein homo politicus und Intellektueller, dessen Werk unvermindert zu intensiven Auseinandersetzungen über Begriffe wie Geschichte, Literatur, Nation, Recht, Bildung und Glauben herausfordert.

Seine Auffassungen von Staat, Nation, Individuum, politischer Teilhabe der Bürger und individueller Freiheit speisen sich aus fundamentalen Ideen der Aufklärung des 18. und der frühen Romantik des 19. Jahrhunderts. Sie sind von zum Teil so gegensätzlichen Denkern wie Rousseau, Herder, den Schlegels oder Fichte inspiriert. Aus ihnen erwächst die Kritik an der kulturellen und politischen Vorherrschaft Frankreichs in Europa, die sich im Gefolge der imperialen Politik Napoleons radikalisierte. Aus ihnen erwächst die Forderung unteilbarer individueller und bürgerlicher Freiheit und Menschenrechte. Aus ihnen erwächst auch die Idee der nationalen Einheit in einer allgemein respektierten Mannigfaltigkeit, zu deren Konsolidierung und Erhaltung Arndt die Betonung kultureller und sprachlicher Besonderheiten forderte. Er sah diese durch einen indifferenten, „gleichmacherischen“ Kosmopolitismus gefährdet, den er mit völkischen Abgrenzungsszenarien beantwortete. Zu einer Zeit, als noch darüber gestritten wurde, was und wer überhaupt die deutsche Nation ausmacht, vertraten Arndt und andere die Auffassung, dass Nationen vor allem durch die Sprache und Abstammung definiert werden und sich unvermischt erhalten müssten. Juden sollten in Deutschland keine staatsbürgerliche Gleichstellung erhalten. Über außereuropäische Völker äußerte sich Arndt im Zusammenhang zeitgenössischer Rassentheorien abwertend.

Diese Vorstellungen gehören restlos der Vergangenheit an, andere hatten ihre Zeit, manche sind aktuell, wie das kulturprägende Gedankengut von Romantik und Aufklärung überhaupt. Ihre unter Deutschen vielfältig mutierte Rezeption in Kaiserreich, Weimarer Republik, Nationalsozialismus oder der Ära deutscher Zweistaatlichkeit ist Ausgangspunkt zahlreicher Kontroversen über den Wert des Arndtschen Werkes in unserer Zeit.

Noch zu Lebzeiten (1856) ehrte die Universität Arndt, als Vertreter der Philosophischen Fakultät im Figurenprogramm des Rubenowdenkmals wegen seiner Leistungen als Publizist. 1933 beantragte der Senat auf Initiative des „Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten“ bei der preußischen Staatsregierung, Arndts Namen tragen zu dürfen. An dieser Stelle war das nationalistische Motiv zweifellos ausschlaggebend. 1954 wurde der Name, als Symbol nationaler Einheit und progressiven Erbes in den Zeiten der Zweistaatlichkeit, offiziell wieder in den Universitätstitel aufgenommen.