Chatbot-App soll Versorgungslücke für junge Menschen mit Depressionen schließen

Grafik iCAN
Grafik iCAN, © Frisk Innovation GmbH

Depressionen zählen weltweit zu den häufigsten und schwerwiegendsten psychischen Erkrankungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. In Deutschland sind rund sechs Prozent aller Kinder und Jugendlichen betroffen. In schweren Fällen ist oft ein Klinikaufenthalt nötig. Nach der Entlassung aus der Klinik ist eine zeitnahe ambulante Nachsorge von entscheidender Bedeutung. Diese Nachsorge kann in Form von ambulanter Psychotherapie und/oder psychiatrischer Weiterbehandlung erfolgen. Ziel ist dabei, Rückfälle zu verhindern und die in der Klinik erzielten Fortschritte zu festigen.

iCAN-Programm als Antwort auf lange Wartezeiten für Therapieplätze
Oft stellt der Übergang von einer stationären Depressionsbehandlung in die ambulante Nachsorge eine Herausforderung dar. Die langen Wartezeiten auf Therapieplätze von durchschnittlich sechs Monaten – in ländlichen Regionen oft noch länger – erschweren den Zugang. Auch zögern viele junge Betroffene aufgrund von Scham oder dem Wunsch, ihre Probleme selbst zu bewältigen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Hier setzt das iCAN-Programm an: Junge Menschen mit Depressionen erhalten nach der Klinikzeit Zugang zur iCAN-App, in der sie Übungen machen, die dabei helfen, im Alltag besser zurechtzukommen. Dabei werden sie von einem Chatbot unterstützt, der regelmäßig nach der Stimmung fragt und motiviert, die Übungen zu nutzen. Zudem erleichtert der in der iCAN-App eingebaute Navigator die Suche nach einer Anlaufstelle wie z. B. eine ambulante Therapie. Zusätzlich erhalten die Patientinnen und Patienten eine persönliche Begleitung durch Telefongespräche mit Psychologinnen und Psychologen.

Studie zur Überprüfung der Wirksamkeit des Programms
In einer großangelegten klinischen Studie mit Betroffenen im Alter zwischen 13 und 25 Jahren wird das iCAN-Programm erforscht. Die Studie soll ermitteln, ob iCAN-Teilnehmende nach drei bzw. sechs Monaten weniger depressive Symptome aufweisen als Studienteilnehmende, die die Standardversorgung erhalten. Zusätzlich wird analysiert, ob iCAN-Teilnehmende schneller passende Nachsorgeangebote finden und seltener erneut in der Klinik behandelt werden müssen.

Die iCAN-Studie unter der Leitung von Prof. Dr. Eva-Lotta Brakemeier und Diplom-Psychologe Stefan Lüttke von der Universität Greifswald ist eine Kooperation von Expertinnen und Experten für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Greifswald und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sowie Expertinnen und Experten für Gesundheitspsychologie der Universität Greifswald. An dem Projekt sind außerdem die beiden Unternehmen mentalis GmbH und 100 Worte Sprachanalyse GmbH sowie zahlreiche Krankenkassen (AOK Baden-Württemberg, AOK Nordost, AOK Rheinland-Pfalz / Saarland, Bahn BKK, BKK VBU, HEK, Mobil Krankenkasse, Pronova BKK, Siemens-Betriebskrankenkasse, TK) beteiligt. Unterstützt wird das Projekt von 31 Kliniken in Deutschland sowie von Berufs- und Fachverbänden, der Bundespsychotherapeutenkammer und der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention.

An dieser Studie können junge Patienten zwischen 13 und 25 Jahren teilnehmen, die wegen Depressionen in einer der teilnehmenden Kliniken oder Tageskliniken behandelt werden, ein Smartphone besitzen und bei einer beteiligten Krankenkasse versichert sind. Die Anmeldung erfolgt direkt in den teilnehmenden Kliniken beim Klinikpersonal. Weitere Informationen sind auf der Webseite ican-studie.de verfügbar.

Weitere Informationen und Literatur

  • Intelligente, Chatbot-assistierte ambulante Nachsorge der Depression bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen (iCAN)
  • Bundespsychotherapeutenkammer (2018). Ein Jahr nach der Reform der Psychotherapie-Richtlinie. Wartezeiten 2018.
  • Ferrari, A. J., et al. (2013). Burden of depressive disorders by country, sex, age, and year: findings from the global burden of disease study 2010. PLOS Medicine, 10(11).
  • Greiner, W., et al. (2019). Kinder- und Jugendreport 2019. Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Schwerpunkt: Ängste und Depressionen bei Schulkindern. DAK.
  • Gulliver, A., et al. (2010). Perceived barriers and facilitators to mental health help-seeking in young people: a systematic review. BMC Psychiatry, 10(1), 113.
  • Jarczok, T. A. & Holtmann, M. (2017). Pharmakologische und nicht-pharmakologische Behandlung der Depression im Kindes- und Jugendalter. Die Psychiatrie, 14(3), 151-159.
  • Schneider, F., et al. (2012). Psychiatrie 2020 plus: Perspektiven, Chancen und Herausforderungen. Springer-Verlag.

Foto: Grafik iCAN, © Frisk Innovation GmbH
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Ansprechpartnerin an der Universität Greifswald
Prof. Dr. Eva-Lotta Brakemeier
Lehrstuhlinhaberin Klinische Psychologie und Psychotherapie
Franz-Mehring-Straße 47, 17489 Greifswald
Telefon +49 3834 420 3718
eva-lotta.brakemeieruni-greifswaldde

Pressekontakt
Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention
Janine Zehner
Telefon 0341 2238 7414
janine.zehnerdeutsche-depressionshilfede

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iCAN-Programm
Das iCAN-Programm ist ein wegweisendes ambulantes Nachsorgeangebot für junge Menschen mit Depressionen. Es bietet individuelle Begleitung durch Tele-Psychologinnen/-Psychologen sowie Zugang zur iCAN-App für ein Chatbot-gestütztes Training. Aktuell wird das Programm in einer umfangreichen klinischen Studie intensiv erforscht, um seine Wirksamkeit und Effizienz zu prüfen. Die Köpfe hinter dem iCAN-Programm sind die Psychologen Stefan Lüttke von der Universität Greifswald und Dr. Christian Aljoscha Lukas von der mentalis GmbH und der Universität Erlangen-Nürnberg. Die Leitung und Verantwortung der iCAN-Studie obliegt Prof. Dr. Eva-Lotta Brakemeier von der Universität Greifswald.

Universität Greifswald
Die Universität Greifswald ist eine der ältesten Universitäten Deutschlands und ein zentraler Motor für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung der Region. Das Institut für Psychologie der Universität, in dem die iCAN-Studie angesiedelt ist, verfolgt einen naturwissenschaftlichen Forschungsansatz, indem grundlagenorientierte und anwendungsbezogene Forschung empirisch-experimenteller Ausrichtung miteinander kombiniert werden.

Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention
Die gemeinnützige Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention hat sich zum Ziel gesetzt, einen wesentlichen Beitrag zur besseren Versorgung depressiv erkrankter Menschen und zur Reduktion der Zahl der Suizide in Deutschland zu leisten. www.deutsche-depressionshilfe.de

 

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