Covid-19-Virus infiziert offenbar keine Gehirnzellen. Neurologische Symptome werden ausgelöst von Entzündungen im Körper

Corona-Virus blau

Bislang wurde oft vermutet, dass eine direkte Infektion des Gehirns die Ursache für neurologische Beeinträchtigungen wie Kopfschmerzen, Gedächtnisprobleme oder krankhafte Erschöpfung während und nach einer Corona-Infektion sein könnte. Das Team um die Forscher*innen Dr. Josefine Radke von der Universitätsmedizin Greifswald und Dr. Helena Radbruch von der Charité von der Universitätsmedizin Berlin führten komplexe Untersuchungen von Hirnstammgewebe verstorbener Patient*innen in verschiedenen Stadien der COVID-Erkrankung durch. Ein zentrales Ergebnis der Untersuchungen war der Nachweis entzündlicher Reaktionen in den Gehirnen von Personen mit akuter COVID-19-Infektion, die sich im weiteren Verlauf der Krankheit abzuschwächen schienen. Dies legt die Annahme nahe, dass neurologische Symptome bei COVID-19-Patient*innen möglicherweise mit der Immunantwort des eigenen Körpers zusammenhängen und nicht mit einer direkten Aktivität des Coronavirus SARS-CoV-2 im Gehirn verbunden sind.

Darüber hinaus deckte die Studie zwei verschiedene Reaktionsmuster auf schwere systemische Entzündungen im Gehirn auf. Eines der Muster schien bestimmte Hirnareale zu beeinflussen, die mit den Hirnnerven verbunden sind, während das andere den gesamten Hirnstamm betraf. Diese breitere Auswirkung auf den Hirnstamm könnte erklären, warum einige COVID-19-Patient*innen eine Vielzahl von neurologischen Symptomen erleben.

„Selbst bei Patient*innen, in denen das Virus nicht im zentralen Nervensystem nachgewiesen wird, können lokale Immunreaktionen im Gehirn vorherrschen. Diese Reaktionen könnten die normale Gehirnfunktion stören und so zu den beobachteten neurologischen Komplikationen bei COVID-19-Patienten beitragen“, so Dr. Josefine Radke, Erstautorin der Studie. Laut Studie muss davon ausgegangen werden, dass Immunzellen das Virus im Körper aufgenommen haben und dann ins Gehirn gewandert sind. Sie tragen noch immer das Virus in sich, es infiziert aber keine Gehirnzellen. Das Coronavirus hat also andere Zellen des Körpers, nicht aber das Gehirn befallen. Zum Beispiel können Botenstoffe, die diese Immunzellen im Hirnstamm ausschütten, Fatigue verursachen, da im Hirnstamm Zellgruppen liegen, die Antrieb, Motivation und Stimmungslage steuern.

Das Verständnis dafür, wie COVID-19 das Gehirn beeinflusst, ist nicht nur für die Verbesserung der Patientenversorgung entscheidend, sondern auch für die Entwicklung gezielter Therapien zur Linderung oder perspektivisch sogar zur Heilung von neurologischen Symptomen und den gefürchteten Langzeitkomplikationen der Krankheit.

Weitere Informationen
* Radke J et al. Proteomic and transcriptomic profiling of brainstem, cerebellum, and olfactory tissues in early- and late-phase COVID-19. Nat Neurosci 2024. DOI: 10.1038/s41593-024-01573-y
https://www.nature.com/neuro/

Voraussetzung für die Studie war die Einwilligung der Patient*innen bzw. der Angehörigen, für die sich die Forschungsgruppe explizit bedankt. Die Arbeit ist im Rahmen des Nationalen Obduktionsnetzwerks (NATON) entstanden, einer Forschungsinfrastruktur des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Netzwerks Universitätsmedizin (NUM). Das NUM wurde initiiert und wird koordiniert von der Charité und vereint die Kräfte der 36 Universitätsklinika in Deutschland.


Ansprechpartnerin an der Universitätsmedizin Greifswald
PD Dr. med. Josefine Radke
Oberärztin
Neuropathologie und diagnostische Molekularpathologie
Institut für Pathologie | Universitätsmedizin Greifswald
Friedrich-Loeffler-Straße 23 E, 17475 Greifswald
Telefon +49 3834 86 5733
josefine.radkemed.uni-greifswaldde
X (Twitter) @Josefine_Radke

 

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