Ob Wasserflöhe, Ruderfußkrebse oder Fische: Viele Organismen in Gewässern sind direkt oder indirekt über das Nahrungsnetz auf Phytoplankton angewiesen. Die mikroskopisch kleinen Algen spielen aber auch eine entscheidende Rolle für das Klima, da sie in den Seen und Meeren weltweit erhebliche Mengen an Kohlenstoffdioxid (CO₂) aufnehmen, Sauerstoff und für das Nahrungsnetz wertvolle Stoffe wie z.B. Omega-3 Fettsäuren generieren. Die nötige Energie dafür bezieht das Phytoplankton aus dem Sonnenlicht, welches in das Wasser eindringt. Eine aktuelle gemeinsame Studie der Universität Oldenburg und der Universität Greifswald kam zu dem Ergebnis, dass es außerdem auf das Farbspektrum des Lichts ankommt: von Violett über Indigo, Blau, Grün, Gelb und Orange bis hin zu Rot – also den sieben Farben des Regenbogens.
Forschende haben nun herausgefunden, dass diese Lichtfarben nicht nur das Phytoplankton, sondern auch die Nahrungsbeziehungen im See beeinflussen. Das zeigt eine aktuelle Studie der Universität Oldenburg, entstanden in Zusammenarbeit mit der Universität Greifswald. Sie wurde im Oktober in der Fachzeitschrift „Journal of Ecology“ veröffentlicht.
Sensibles Nahrungsnetz im See
„Bislang hat sich die Forschung zu ökologischen Prozessen in Gewässern vor allem auf die Lichtmenge konzentriert“, sagt Studienautor Sebastian Neun aus der Arbeitsgruppe Planktologie der Universität Oldenburg. „Wir können nun zeigen, dass auch die Lichtfarbe unmittelbaren Einfluss auf das Phytoplankton und nachfolgend die Nahrungsbeziehungen im Ökosystem See hat.“
Den Wissenschaftler*innen zufolge sollten künftige Forschungsarbeiten das Lichtspektrum mehr einbeziehen. „Die Menge an Mikroalgen nimmt in vielen Seen zu, wodurch diese immer grüner werden“, erklärt Studienautorin und Planktologin Dr. Maren Striebel. „Die Lichtverhältnisse unter Wasser werden sich künftig noch stärker verändern und das sensible Nahrungsnetz zwischen Mikroalgen und höheren Organismen beeinflussen.“ Hohe Nährstoffeinträge durch Abwässer und Landwirtschaft begünstigen zunehmend das Algenwachstum und führen, vor allem im Zusammenspiel mit höheren Temperaturen, zu regelrechten Algenblüten in Gewässern.
„Bislang hatte sich die Forschung zu ökologischen Prozessen in Gewässern vor allem auf die Lichtmenge konzentriert“, sagt Sebastian Neun aus der Arbeitsgruppe Planktologie am ICBM der Universität Oldenburg. Seine Kollegin, PD Dr. Maren Striebel, aus derselben Arbeitsgruppe ergänzt: „Wir konnten nun zeigen, dass auch die Lichtfarbe unmittelbaren Einfluss auf das Phytoplankton, das Zooplankton und die Stoffkreisläufe im Ökosystem See hat.“
Prof. Dr. Alexander Wacker von der Arbeitsgruppe Tierökologie der Universität Greifswald ergänzt: „Um die Mechanismen hinter unseren Ergebnissen besser zu verstehen, simulieren wir in Laboren der Universität Greifswald die sich verändernden Licht- und Nährstoffbedingungen in Seen – mit eigens dafür entwickelten, computergesteuerten Versuchsaufbauten. Auf diese Weise möchten wir herausfinden, wie Planktongemeinschaften auf solche Bedingungen reagieren und welche Rolle insbesondere das Lichtspektrum für die Produktion von – auch für uns Menschen – lebenswichtigen Fettsäuren spielt.“
Ein See wird zum Forschungslabor
Für ihre Erkenntnisse führte das Forschungsteam im Mai 2022 ein Experiment in einem Badesee in Niedersachsen durch. Die Wissenschaftler*innen befüllten mit rot-, blau- und grünfarbiger Lichtfilterfolie umhüllte Flaschen mit Phytoplankton aus dem See und brachten diese an verschiedenen Positionen unter Wasser an.
Über einen Zeitraum von zwei Wochen beobachtete das Team, wie sich die Mikroalgen unter verschiedenen Lichtverhältnissen und variierenden Mengen an Nährstoffen in den Flaschen entwickelten. Im Anschluss untersuchten die Forschenden das Phytoplankton im Labor, um Rückschlüsse darüber zu gewinnen, wie nahrhaft es infolge der unterschiedlichen Licht- und Nährstoffeinflüsse für Wasserflöhe ist.
Das Ergebnis: Je weniger Lichtstrahlen die Mikroalgen unter Wasser erreichten, desto entscheidender wurde das Farbspektrum für ihr Wachstum. Verschiedene Phytoplanktonarten reagierten zudem unterschiedlich auf die Lichtfarben. Es veränderte sich sowohl der Nährstoffgehalt als auch die Zusammensetzung an Fettsäuren. Das wiederum beeinflusste das Wachstum der Wasserflöhe, die sich von den Mikroalgen ernähren. „Das deutet darauf hin, dass die Lichtfarben auch das Nahrungsnetz im See beeinflussen“, sagt Neun. „Wir sehen also, dass das Farbspektrum des Lichts unter Wasser einen weitaus größeren Einfluss hat als bisher angenommen.“
Das Team ist bereits dabei, die besondere Rolle der Lichtfarbe für das Phytoplankton in einem dreijährigen Forschungsprojekt weiter zu untersuchen.
Weitere Informationen
Abteilung Tierökologie am Zoologischen Institut und Museum der Universität Greifswald
Ansprechpartner an der Universität Greifswald
Prof. Dr. Alexander Wacker
Zoologisches Institut und Museum
Abteilung Tierökologie
Loitzer Str. 26
17489 Greifswald
Tel.: +49 (0)3834 4204266
alexander.wackeruni-greifswaldde
Ansprechpartner an der Universität Oldenburg
Sebastian Neun
Universität Oldenburg
Institut für die Biologie und Chemie des Meeres
AG Planktologie
sebastian.neununi-oldenburgde