Die Forschenden der Universitäten Greifswald, Leipzig und Mainz sowie aus Mexiko konnten in einer kürzlich bei Communications Earth & Environment erschienenen Publikation anhand saisonaler Wachstumsaufzeichnungen rekonstruieren, wie die fossilen Korallen während des mittleren Miozäns auf Umweltveränderungen reagierten. Die Korallen waren in der Lage, den pH-Wert und den Sättigungszustand ihrer inneren Kalkbildungsflüssigkeit aktiv zu regulieren. Somit verfügten sie über einen Mechanismus, der ihnen half, den damals herrschenden Umweltbedingungen standzuhalten. Dennoch reichte diese physiologische Anpassung nicht aus, um die ungünstigen Bedingungen vollständig zu kompensieren: „Die Wachstumsraten der Korallen waren extrem niedrig und ihre Skelette schwach kalzifiziert. Wir vermuten, dass dies den Aufbau von Riffstrukturen erheblich beeinträchtigte“, sagt Dr. Markus Reuter, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Paläontologie an der Universität Greifswald und Erstautor der Studie.
Die fossilen Korallen bekam Reuter aus der Sammlung des Naturhistorischen Museums Wien (Österreich) bereits im Jahr 2006. Sie wurden schon Anfang des 20. Jahrhunderts aus heute nicht mehr zugänglichen Fundstellen geborgen. Doch vor 20 Jahren fehlten noch die Möglichkeiten zu einer hochauflösenden geochemischen Beprobung. Zwischenzeitlich wurden neue Methoden entwickelt, mit denen auch bei geringer Materialverfügbarkeit eine zeitlich hochauflösende Analyse möglich ist, weswegen die Forschenden nun die Studie durchführten.
Für die Untersuchung schneidet Reuter die Korallen zunächst auf. Anschließend röntgte er die Scheiben, denn mit Hilfe eines Röntgenbildes kann er die ursprünglichen Wachstumsmuster und Kalzifikationsraten feststellen. Danach sägt er sehr dünne Stäbchen heraus, um mit einem Laser die Elementkonzentrationen im Korallenskelett zu bestimmen. Im letzten Beprobungsschritt stellt er aus dem Stäbchen Pulver her, um eine Isotopenanalyse durchzuführen. Die so gewonnenen Daten liefern wichtige Informationen über die Umwelt und Reaktionen auf Umweltstress.
Stärkste Ozeanversäuerung der letzten 23 Millionen
Die Korallen aus dem Wiener Museum gehören der Gattung Porites an. Das macht die Studie besonders interessant, denn diese Korallengattung existiert noch heute. Sie lebt vorrangig im Indo-Pazifik und wird oft für Klimastudien verwendet. Somit ist eine Vergleichbarkeit der Millionen Jahre alten Korallen zu heutigen gegeben.
„Mit unserer Forschung konnten wir zeigen, dass die Bildung der kalkigen Korallenskelette durch Temperaturstress und die wohl stärkste Ozeanversauerung der letzten 23 Millionen negativ beeinflusst wurde, sagte Markus Reuter. „Wir stellten fest, dass die Korallen aber über Mechanismen verfügten, mit denen sie die Auswirkungen der Ozeanversauerung abmildern und den Skelettbildungsprozess aufrechterhalten konnten. Allerdings stießen sie durch die ausgeprägten jahreszeitlichen Umweltänderungen in der Zentralen Paratethys an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Deshalb nehmen wir an, dass warme Meere in höheren Breitengraden vermutlich keine geeigneten Klimawandel-Refugien für tropische Riffkorallen bieten können.“
Weitere Informationen
Reuter, M., D’Olivo, J.P., Brachert, T.C. et al. Mid-Miocene warmth pushed fossil coral calcification to physiological limits in high-latitude reefs. Commun Earth Environ 6, 569 (2025). https://doi.org/10.1038/s43247-025-02559-9.
Ansprechpartner an der Universität Greifswald
Dr. Markus Reuter
Institut für Geographie und Geologie
Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße 17 A, 17489 Greifswald
Telefon +49 3834 420 4586
markus.reuteruni-greifswaldde
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