Greifswalder Studie: Deutsche Schüler motivieren sich untereinander zum Lernen

Lehrer und Schüler
Lehrer und Schüler in der Schule am Bodden - Foto: Kilian Dorner

Die Ergebnisse der internationalen Ländervergleichsstudie zeigen, dass deutsche Schüler ihre Motivation zum größten Teil, 34 Prozent, aus der Beziehung zu ihren Mitschülern (peers) erhalten. Ein weiterer Teil der Schüler, 29 Prozent, motiviert sich selbst, also unabhängig von ihren sozialen Beziehungen zum Lehrer oder zu Mitschülern. Von ihren Beziehungen zu Lehrern und Mitschülern profitieren 27 Prozent aller befragten Schüler. Nur zehn Prozent gaben an, dass ihre Motivation lehrerabhängig ist. Es konnte festgestellt werden, dass in Deutschland der Autonomiegedanke und die von Jugendlichen geforderte Selbstkontrolle Einfluss auf ihr Bindungsverhalten in Bezug auf die schulische Motivation hat. Auch das Verhältnis zu ihren Lehrern ist häufig formeller und distanzierter als beispielsweise in Kanada.

Kanada wurde als Untersuchungsland gewählt, da das kanadische Bildungssystem als eines der Besten unter den OECD-Ländern gilt und kanadische Schüler seit Jahren Top-Leistungen in der internationalen Vergleichsstudie PISA zeigen. Die SELF-Studie hat gezeigt, dass die Mehrheit der kanadischen Schüler, 57 Prozent, sowohl ihre Mitschüler als auch ihre Lehrer als motivierend empfinden. Im Gegensatz dazu motivieren sich 20 Prozent unabhängig von Lehrern und Mitschülern. Die Ergebnisse decken sich mit der Ausrichtung des kanadischen Bildungssystems, in dem die persönliche und soziale Kompetenzentwicklung im Zentrum des Schulgeschehens steht und als gleichwertig zum Wissenserwerb gesehen wird.

Auch die Situation in Russland wurde untersucht. Interessant ist hierbei der Blick auf ein Land, welches sich als eine Art Wegkreuzung zwischen Ost und West befindet und Moskau eine Schlüsselrolle in Punkto Wirtschaft, Bildung und Innovation zukommt. Die SELF-Studie hat hier ergeben, dass (ähnlich wie in Kanada) über 57 Prozent der befragten Schüler angaben, sowohl auf ihre Mitschüler als auch auf ihre Lehrer und deren Unterstützung angewiesen zu sein. In Russland gestaltet sich das Lernen im Klassenverbund über viele Jahre hinweg, sodass soziale Beziehungen zu den Mitschülern und zu den Lehrern wachsen können und ähnlich wie in Kanada eine große Bedeutung für das Lernen haben.

Neben Deutschland, Kanada und Russland wurde ebenso die Motivation von Schülern aus den Philippinen untersucht. Die Philippinen gelten als Dritte-Welt-Land und bilden somit einen Kontrast zu den anderen untersuchten Ländern. Die Verteilung der Motivationstypologie sieht dort ganz anders aus. 85 Prozent der Schüler gaben an, dass sie in ihrer Motivation unabhängig von sozialen Beziehungen sind. Das mag daran liegen, dass der Wissenserwerb und die Verbesserung der eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen im Vordergrund stehen.

Die Motivation zu lernen, ist einer der wichtigsten Faktoren, wenn es um den Erwerb von Wissen und Fertigkeiten geht und kann verschiedene „Gesichter“ haben, wie die SELF-Studie zeigt. Jedoch gilt für alle Menschen, dass eine hohe Lernmotivation die Voraussetzung für Kreativität ist und die Problemlösungsfähigkeit steigert. Zudem fühlt sie sich auch noch gut an!

Die Untersuchung in Deutschland wurde in einer Kombination aus Fragebögen, Interviews und einer fMRT-Studie mit 1.088 Schülern der 7. und 8. Klasse im Schuljahr 2011/2012 durchgeführt und nach zwei Jahren wiederholt. Die Schüler wurden von insgesamt 23 Gymnasien und Oberschulen in Brandenburg ausgewählt, wobei eine Teilstichprobe von 86 Schülern für die Interview- und fMRT-Studie ausgewählt wurde. In Zusammenarbeit mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin wurden die neurowissenschaftlichen Untersuchungen durchgeführt. Die Studien in Russland, Kanada und den Philippinen beruhen nur auf Fragebogendaten der Schüler.

Im Ergebnis zeigten sich starke Unterschiede in der Wahrnehmung von Mitschülern und Lehrern im Motivationsprozess bei Sekundarschülern. Die gewonnenen Erkenntnisse zur schulischen Motivation von Jugendlichen in unterschiedlichen Unterrichtsmethoden liefern Ansätze für praktisches Handeln. Schüler, deren Motivation stark an soziale Bindungen gekoppelt ist, können beispielsweise von Gruppenunterricht profitieren. Hingegen kommen individualisierte Unterrichtstechniken wie Lernbüro, Forschendes Lernen, Lerntagebücher und Freiarbeit eher Schülern, die sich unabhängig von ihren Mitschülern und Lehrkräften motivieren, zugute.

Weitere Informationen
Um Näheres über die Studie zu erfahren, können Interessenten die Homepage www.self-projekt.de besuchen oder Prof. Dr. Dr. Diana Raufelder anschreiben.

Medieninfo als PDF (lang)
Medieninfo als PDF (kurz)
Kurz URL http://tinyurl.com/ybrantp2

Ansprechpartnerin an der Universität Greifswald
Prof. Dr. Dr. Diana Raufelder
Institut für Erziehungswissenschaft
Lehrstuhl Schulpädagogik
Franz-Mehring-Straße 47
17489 Greifswald
Telefon 03834 420 3710
diana.raufelderuni-greifswaldde

Medieninformation


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