Korallen als Klimaarchive – Was uns 40 Millionen Jahre alte tropische Riffkorallen über Klimaveränderungen verraten

Skelettstruktur der tropischen Riffkorallen unter 20-facher Vergrößerung. Eine Wachstumsunterbrechung ungefähr in Bildmitte gut erkennbar, geht auf ein partielles Absterben der Korallenkolonie zurück und könnte auf eine Korallenbleiche zurückgehen. © Prof. Dr. Thomas Brachert
Skelettstruktur der tropischen Riffkorallen unter 20-facher Vergrößerung. Eine Wachstumsunterbrechung ungefähr in Bildmitte gut erkennbar, geht auf ein partielles Absterben der Korallenkolonie zurück und könnte auf eine Korallenbleiche zurückgehen. © Prof. Dr. Thomas Brachert

Im Mittleren Eozän, vor etwa 40 Millionen Jahren, herrschte in unseren Breiten tropisches Klima: Es war warm und feucht, wie beispielsweise Fossilien aus dem Geiseltalsee bei Halle bezeugen. Es war sogar so warm, dass sich Korallenriffe weit nach Norden ausdehnten – bis etwa zum 45. Breitengrad, also ungefähr auf die Höhe des heutigen Südfrankreichs. Einige dieser tropischen Riffkorallen sind als Fossilien Teil der Geologisch-paläontologischen Sammlung der Universität Leipzig, aber auch die Universität Greifswald besitzt vergleichbare Stücke in ihrer Paläontologischen Sammlung. Sie stammen aus dem Pariser Becken, einer großen Meeresbucht, die in das heutige Frankreich hineinreichte. Unter diesen Fossilien fanden Professor Thomas Brachert vom Institut für Geophysik und Geologie der Universität Leipzig und Dr. Markus Reuter vom Institut für Geographie und Geologie der Universität Greifswald einige ganz besondere Korallen: Sie waren nicht wie viele andere versteinert, sondern konnten sich diesem Prozess entziehen. „Sie sind damit ein wunderbares Umweltarchiv. Ein Korallenskelett wächst jedes Jahr ähnlich wie ein Baum. Das Besondere daran ist aber, dass quasi im Skelett mehrere hunderte bis zu 1000 Jahre Klimageschichte archiviert sind“, sagt Prof. Dr. Thomas Brachert Leitautor der Publikation.

Skelett offenbart geringe jahreszeitliche Temperaturschwankungen
Die Geologen entnahmen dem Kalkskelett der Korallen Proben und analysierten das Material mithilfe geochemischer Methoden. Aufgrund der chemischen Eigenschaften konnten die Wissenschafter*innen auf die Temperatur des Wassers schließen, in dem Korallen gelebt haben. Das Verhältnis der Sauerstoffisotope in den Proben zeigte, dass die jahreszeitlichen Temperaturunterschiede sehr klein waren für diese geografische Breite. Sie entsprechen etwa der Hälfte unserer heutigen Gegebenheiten von 15 Grad Celsius Unterschied zwischen den Jahreszeiten. „Damit bestätigen wir mit unserer Studie, was man zwar erwartet hatte, aber nie so gut messen konnte: nämlich sehr kleine jahreszeitliche Unterschiede in den globalen Warmzeiten“, so Brachert.

Erstmals entdeckt: Korallen lebten schon damals in einer Symbiose
Die Forscher*innen haben auch die Ernährungsweise der Korallen vor 40 Millionen Jahren untersucht. Bei der Analyse der Kohlenstoffisotope konnten sie erstmals zeigen, dass schon damals Korallen in einer Symbiose mit einzelligen „Algen“ lebten, sogenannten Zooxanthellen. Diese betreiben Fotosynthese und geben den dabei entstehenden Zucker an die Koralle ab. Die Koralle wiederum verdaut den Zucker und gibt wichtige Nährstoffe an die Alge für die Fotosynthese zurück. „Diese Symbiose zwischen Alge und Koralle ist der biologische Motor des tropischen Riffökosystems“, so Reuter von der Universität Greifswald. Wird das Meerwasser aber zu heiß, stoßen die Korallen die Algen ab und bleichen aus was zum anschließenden Absterben der Korallen durch Verhungern führen kann. Bedingt durch den Klimawandel führt die sogenannte Korallenbleiche gegenwärtig zu dramatischen Massensterben von Korallen weltweit. Unsere Studie zeigt, dass die Korallen schon damals anfällig für die Korallenbleiche und wahrscheinlich auch wiederholt davon betroffen waren wie auch häufige Wachstumsunterbrechungen in den Korallenstöcken vermuteten lassen“, führt Reuter weiter aus.

Studiendaten können aktuelle Klimaberechnungen verbessern
Die Daten des Forschungsteams lassen aber nicht nur Schlüsse über das Klima im Mittleren Eozän zu, sie können auch jetzige Klimamodelle verbessern. „Unsere neuen Erkenntnisse über extreme Warmzeiten können wir als Vergleichsbeispiel für die Zukunft nehmen. Unsere heutigen Computermodellierungen gehen von Annahmen aus, die nicht notwendigerweise alle richtig sind. Auf der Grundlage unserer Daten können wir Abschätzungen vornehmen, inwieweit diese Modelle dienliche Ergebnisse liefern“, fasst Prof. Dr. Thomas Brachert zusammen.

Weitere Informationen
Publikation (Link)
 

Ansprechpartner an der Universität Greifswald
PD Dr. Markus Reuter
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Institut für Geographie und Geologie
Friedrich-Ludwig-Jahn Straße 17 A, 17489 Greifswald
markus.reuteruni-greifswaldde

 

Medieninformation


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