Nachruf apl. Prof. em. Dr. Julia Männchen (1939–2018)

Foto: kirche-mv.de/D. Vogel
Foto: kirche-mv.de/D. Vogel

Während der langen Zeit von nahezu 50 Jahren hat Julia Männchen die wechselvolle Geschichte unserer Theologischen Fakultät begleitet und geprägt. Wer immer in Greifswald studierte, erinnert sich gern ihrer klaren und energischen Art, ihrer Geselligkeit und Freundlichkeit sowie ihrer steten Präsenz im Haus – bis weit über die Emeritierung hinaus.

Geboren wurde Julia Männchen am 1. Mai 1939 in Dresden. Nach dem Studium der Theologie in Leipzig kam sie 1968 als wissenschaftliche Assistentin für das Fach Altes Testament nach Greifswald und übernahm hier schon bald neben Bibelkunde und Proseminar vor allem den Hebräischunterricht. Generationen von Pastorinnen und Pastoren sind durch ihre Schule gegangen und haben bei ihr nicht nur eine Sprache, sondern eine ganze Welt zu entdecken gelernt. Ihre Begeisterung wirkte ansteckend und blieb nicht bei der Sprache des Alten Testaments stehen. Für Julia Männchen war das Judentum immer zuerst eine Größe der Gegenwart und das Hebräische weit mehr als eine Sprache historischer Texte. Zunehmend engagierte sie sich deshalb auch für das Anliegen des christlich-jüdischen Dialogs, der zu Beginn der 1960er Jahre gerade seine ersten, vorsichtigen Schritte zu unternehmen begann.

In Greifswald fand sie für ihre Interessen ein lohnendes Arbeitsgebiet vor – in Gestalt der palästinakundlichen Sammlung Gustaf Dalmans (1855–1941), der 1902 das „Deutsche Evangelische Institut für die Altertumswissenschaft des Heiligen Landes“ in Jerusalem begründet hatte und 1917 einem Ruf nach Greifswald gefolgt war. Dalman wurde ihr Schicksal. Leben und Werk dieses produktiven Philologen und Ethnologen des „Heiligen Landes“ rückten fortan in den Mittelpunkt ihrer Forschungstätigkeit. 1985 promovierte sie über Dalman und widmete ihm 1991 auch ihre Habilitationsschrift. Beide Bände dieser profunden Biographie sind längst schon zu einem unverzichtbaren Standardwerk geworden (Gustaf Dalmans Leben und Wirken in der Brüdergemeine, für die Judenmission und an der Universität Leipzig 1855–1902, ADPV 9/1, Wiesbaden 1987; Gustaf Dalman als Palästinawissenschaftler in Jerusalem und Greifswald 1902–1941, ADPV 9/2, Wiesbaden 1993). Zugleich betreute sie die Sammlung und sorgte umsichtig für deren Erhalt. Im Jahre 2001 brachte sie schließlich mit einem letzten, achten Band eines der Hauptwerke Dalmans – „Arbeit und Sitte in Palästina“ (Bde. 1–7, 1928–1942) ­– postum zum Abschluss.

Die politische Wende von 1989 eröffnete auch für Julia Männchen noch einmal neue Perspektiven. Nun wurde es plötzlich möglich, Israel nicht nur auf Landkarten zu studieren, sondern zu bereisen und zu erleben. Regelmäßig nahm Julia Männchen seither in der Sommerpause an Ivrit-Kursen der Universität von Beer Sheva teil, um dann auch die Greifswalder Studierenden in das moderne Hebräisch einzuführen. 2007 hat sie ihre „Erinnerungen an Beer Sheva“ zu Papier gebracht – einen Text, der die Lust des Lernens widerspiegelt, das Vergnügen, sich auch mit 68 Jahren noch einmal unter die Studierenden zu mischen und das Abenteuer Sprache in Angriff zu nehmen.

Im Jahr 2004, mit ihrem Eintritt in den Ruhestand, wurde Julia Männchen in Anerkennung ihrer Verdienste der Titel einer außerplanmäßigen Professorin verliehen. Für die folgenden zehn Jahre übernahm sie die Aufgabe einer ehrenamtlichen Kustodin der Gustaf-Dalman-Sammlung und widmete sich mit unermüdlichem Eifer der Pflege, Ordnung und Katalogisierung der Bestände. Dabei war es ihr ein Anliegen, auch den kulturgeschichtlichen Wert der Sammlung sichtbar zu machen. Unzählige Besuchergruppen führte sie durch die neuen Räume am Rubenowplatz und stand für alle wissenschaftlichen Anfragen zur Verfügung.

Julia Männchens Engagement für den christlich-jüdischen Dialog reicht bis in die 1970er Jahre zurück. Zu DDR-Zeiten brauchte es dafür Mut und Geschick, da die Beschäftigung mit der Shoa und die Beziehung zu Israel auch auf ideologisch vermintes Gelände führten. Von 1998 bis 2005 übernahm Julia Männchen dann mit großer Tatkraft den Vorsitz des Arbeitskreises „Kirche und Judentum“, wirkte federführend an der Organisation der jährlichen Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus mit und setzte sich gemeinsam mit der Studierendengemeinde für das Projekt „Stolpersteine“ in Greifswald ein. Sie regte regelmäßige Filmveranstaltungen mit israelischen Produktionen an und knüpfte Kontakte zur jüdischen Gemeinde in Rostock.

Im Mai 2016 verlieh ihr die Stadt Greifswald in Würdigung dieses Einsatzes den „Silbernen Greif“. Im Oktober desselben Jahres wurde Julia Männchen im Dom St. Nikolai mit der Bugenhagen-Medaille der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland ausgezeichnet. Zu ihrem 75. Geburtstag am 1. Mai 2014 hatte Julia Männchen das Rostocker Jüdische Theater „Mechaje“ eingeladen – unter dem Motto „Abi gesunt – Hauptsache gesund“. Das war ein Programm ganz nach ihrem Herzen, mit Humor und einer guten Portion Selbstironie – wohl wissend, dass es mit der Gesundheit schon nicht mehr zum Besten stand. In den folgenden Jahren wurde ihr Bewegungsradius immer kleiner und beschränkte sich zum Schluss ganz auf die Wohnung in der Greifswalder Altstadt. Eine Geschichte des Gustaf-Dalman-Instituts, die sie noch bis in den Dezember hinein beschäftigt hatte, kam nicht mehr zur Ausführung.

Die Theologische Fakultät Greifswald behält Julia Männchen in lebendiger und dankbarer Erinnerung. Die Jahreslosung, unter der dieses neue Jahr am 1. Januar 2018 begann, lautet: „Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.“ Die Trauerfeier wird am 19. Januar 2018 um 14:00 in der St. Jakobi-Kirche in Greifswald stattfinden.

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Ansprechpartner
Prof. Dr. Christfried Böttrich
Studiendekan der Theologischen Fakultät
Am Rubenowplatz 2/3
17489 Greifswald
Telefon 03834 420 2507
chr.boettrichuni-greifswaldde

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