Wirtschaftswissenschaft hilft die weibliche Genitalverstümmelung bei Spinnen zu berechnen

Paarungssequenz der Spinnenart Larinia jeskovi, bei der Genitalverstümmelungen vorkommen – Foto: Jonas Zink
Paarungssequenz der Spinnenart Larinia jeskovi, bei der Genitalverstümmelungen vorkommen – Foto: Jonas Zink

Im Funktionskreis der Reproduktion haben weibliche und männliche Individuen häufig verschiedene Interessen, da beide Geschlechter ihren Reproduktionserfolg durch Paarungen mit mehreren Partnern steigern können. Entsprechend haben Männchen in der Evolution vielfältige „Tricks“ entwickelt, durch die sie Weibchen daran hindern, sich nach einer Kopulation erneut mit einem Rivalen zu verpaaren: Bewachung der Weibchen nach der Paarung, chemische Anti-Aphrodisiaka oder im Extremfall Verletzungen der weiblichen Genitalien. Die Genitalverstümmelung kommt bei vielen Arten von Webspinnen vor, ist jedoch evolutionsbiologisch nicht einfach zu erklären. Schließlich bringt diese auch für das Männchen reproduktive Einbußen mit sich, wenn das Weibchen durch die Verletzung weniger Nachwuchs produziert.

Pierick Mouginot aus der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Gabriele Uhl an der Universität Greifswald untersuchte gemeinsam mit Lutz Fromhage von der Universität Jyväskylä in Finnland, wie solche für das Weibchen nachteiligen Vorgehensweisen in der Evolution entstehen können. Sie entwickelten ein mathematisches, spieltheoretisches Modell und testeten die Voraussetzungen, unter denen es evolutionär zur gezielten Verstümmelung weiblicher Genitalien kommt. Das Modell betrachtet insbesondere die Verstümmelung von Kopplungsstrukturen an den weiblichen Genitalien, durch welche die Weibchen daran gehindert werden sich erneut zu verpaaren.

In einer früheren Studie über die Radnetzspinne Larinia jeskovi hatte Pierick Mouginot bereits gezeigt, wie die Verstümmelung stattfindet. Während der Paarung zwicken die Männchen mit ihren Kopulationsorganen eine äußere Struktur (Scapus) der weiblichen Genitalregion ab. Dieser Scapus wird primär zur Verhakung der männlichen Kopulationsorgane verwendet. Ohne ihn ist eine Kopplung der Genitalien nicht mehr möglich. Als Kopulationsorgane dienen bei Spinnen umgewandelte Beine, in denen Sperma zwischengelagert und vor dort aus ins Weibchen übertragen wird.

Die mathematische Modellierung, die aus den Wirtschaftswissenschaften entlehnt ist, belegt, dass das Beschädigen der Genitalien der Weibchen evolutionär entstehen kann und erhalten bleibt. Die Voraussetzungen für die Evolution dieses Verhaltens sind, dass sich ursprünglich die Weibchen dieser Arten mit mehreren Männchen verpaaren und dass das letzte Männchen die meisten Nachkommen bekommt. Besonders überraschend ist der Befund, dass die Schädigung der weiblichen Paarungsorgane selbst dann evoluiert und erhalten bleibt, wenn die verletzten Weibchen als Konsequenz weniger Nachkommen produzieren können. Die Studie belegt zudem, dass mathematische Modellierungen helfen können die evolutionäre Entstehung und Beibehaltung von schädlichem und unangemessen erscheinendem Verhalten zu erklären.

Weitere Informationen

Originalpublikation:Pierick Mouginot, Gabriele Uhl, Lutz Fromhage, Evolution of external female genital mutilation: why do males harm their mates? – In: Royal Society Open Science, 2017, 4:171195.

Link zum Artikel
Video der mathematischen Modellierung
Twitter: @Uhl_lab
Video: Paarungssequenz der Spinnenart Larinia jeskovi (Video: Pierick Mouginot)

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Ansprechpartner an der Universität Greifswald

Zoologisches Institut und Museum
Allgemeine und Systematische Zoologie
Pierick Mouginot

Loitzer Straße 26
17489 Greifswald
Telefon 03834 420 4281
pierick.mouginotgmailcom
Twitter: @PierickMouginot

Prof. Dr. Gabriele Uhl
Telefon 03834 420 4242
gabriele.uhluni-greifswaldde

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