Neuer Krankheitserreger bedroht Fledermäuse

Forschung

Krankheiten treffen nicht nur Menschen: 2006 – 2007 wurde in einer Höhle im US-amerikanischen Staat New York ein unerklärliches Massensterben von Fledermäusen beobachtet. Die Tiere wiesen einen weißen Staub auf der Nase auf, der durch den damals unbekannten Pilz Pseudogymnoascus destructans verursacht wurde. Diese Pilzkrankheit, die sogenannte Weißnasenkrankheit, breitete sich in den folgenden Jahren rasch in Nordamerika aus. Sie dezimierte die überwinternden Fledermaus Populationen mit jährlichen Sterblichkeitsraten von über 90 Prozent und verursachte den Tod von mehreren Millionen Fledermäusen. Die Forschenden fanden heraus, dass der Pilz ursprünglich aus Eurasien stammte. Dort koexistierte er mit Fledermäusen, ohne ein Massensterben zu verursachen. Seine versehentliche Einschleppung in Nordamerika löste allerdings eine der verheerendsten Epidemien aus, die jemals bei wild lebenden Säugetieren dokumentiert wurde.

Fast 20 Jahre lang glaubte man, dass die Geschichte dieses Krankheitserregers relativ einfach sei: ein einziger Erreger, ein identifizierter geografischer Ursprung (Europa) und gut verstandene Verbreitungsmechanismen. Doch neue genetische Daten offenbaren eine weitaus komplexere Geschichte und stellen unsere Gewissheit über den Ursprung, die Vielfalt und die evolutionäre Dynamik dieses pathogenen Pilzes infrage.

Nicht eine, sondern zwei Pilzarten verursachen die Krankheit
Bis vor kurzem galt Pseudogymnoascus destructans als der einzige Erreger der Weißnasenkrankheit. Die jüngst in Nature open access publizierte Studie, die auf der Analyse von 5479 Proben aus 27 Ländern und drei Kontinenten (Europa, Asien und Nordamerika) beruht, macht jedoch deutlich, dass es zwei verschiedene Pilzarten gibt, die die Krankheit verursachen können. 

Allerdings wurde bislang nur eine der beiden Arten nach Nordamerika eingeschleppt. „Diese Entdeckung eröffnet neue Einblicke in die Entwicklung von Virulenz und in die Art und Weise, wie diese Krankheitserreger mit ihren Wirten in verschiedenen geografischen Kontexten interagieren“, sagt Dr. Nicola Fischer, Erstautorin der Arbeit. Sie schrieb ihre Doktorarbeit zu diesem Thema an der Universität Greifswald und der Universität Montpellier in Frankreich. „Wir dachten, wir kennen unseren Feind, aber jetzt entdecken wir, dass er doppelt so groß und potenziell komplexer ist als zunächst angenommen“, fasst Dr. Nicola Fischer zusammen.

Fledermäuse erheblich bedroht, sollte die zweite Pilzart nach Nordamerika gelangen
Die Entdeckung eines zweiten pathogenen Pilzes, der die Weißnasenkrankheit auslösen kann und eine andere Wirtsspezialisierung als die ursprünglich beschriebene Art aufweist, stellt ein erhebliches Risiko für den Schutz und die Erhaltung von Fledermäusen dar. Obwohl die zweite Art derzeit nicht in Nordamerika vorkommt, könnte ihre Einführung dort Fledermausarten bedrohen, die bisher noch nicht von der ersten Art betroffen waren. Darüber hinaus könnten selbst Fledermausarten, die sich allmählich von der Exposition gegenüber dem ersten Pathogen erholen, vor neuen Herausforderungen stehen, sollte sich die zweite Art ausbreiten. 

Ursprung der Einschleppung nach Nordamerika geklärt
Durch die genetische Analyse von mehr als 5400 Proben, die in Eurasien und Nordamerika gesammelt wurden, identifiziert die Studie das Ursprungsgebiet, die für den nordamerikanischen Ausbruch der Weißnasenkrankheit verantwortlich ist: die Region Podillia in der Ukraine. Dieses Gebiet, das einige der größten Höhlensysteme der Welt beherbergt, ist seit dem Ende der Sowjetunion ein beliebtes Ziel für internationale, insbesondere nordamerikanische, Höhlenforschende. 

Die Ergebnisse legen nahe, dass die zufällige Einschleppung des Pilzes nach Nordamerika – wahrscheinlich über den Austausch mit Forschenden aus dem Bundesstaat New York, wo die Krankheit erstmals nachgewiesen wurde – auf ein einmaliges Ereignis zurückzuführen ist. „Diese Arbeit beendet fast zwei Jahrzehnte andauernde Spekulationen über den Ursprung der Weißnasenkrankheit und veranschaulicht eindrucksvoll, welche Auswirkungen ein einzelnes Translokationsereignis auf Wildtiere haben kann“, so Dr. Sébastien Puechmaille, Koordinator der Studie an der Universität Montpellier.

Gefahr aus der Dunkelheit: Biosicherheit bei der Höhlenforschung zur Prävention von Krankheiten zentral
Diese Entdeckung verdeutlicht die großen Risiken, welche Höhlenforschungsaktivitäten für die Verbreitung von Krankheitserregern darstellen, und unterstreicht die Dringlichkeit einer besseren Kenntnis der „biologischen Verschmutzung“ im Zusammenhang mit menschlichen Reisen. „Die Verhinderung des unbeabsichtigten Transports von pathogenen Pilzen wie Pseudogymnoascus destructans muss zu einer Priorität in den Strategien zum Artenschutz und zum Gesundheitsmanagement werden, sowohl für die Tierwelt als auch für den Menschen“, sagt Dr. Sébastien Puechmaille. Die systematische und rigorose Reinigung der Höhlenforschungsausrüstung bietet sich als wesentliche Maßnahme an: Studien zeigen, dass sie das Vorhandensein lebensfähiger Pilzsporen drastisch reduziert und so die Ausbreitung des Pilzes, der die Weißnasenkrankheit verursacht, einschränkt.

Freiwillige im Zentrum wissenschaftlicher Entdeckungen
Diese Studie wäre ohne eine außergewöhnliche Mobilisierung freiwilliger Helfer nicht möglich gewesen. Die Forschenden konnten einen außergewöhnlichen Datensatz auswerten, da sie in der gesamten nördlichen Hemisphäre über 360 Freiwillige – vor allem Chiropterologen – an der Beprobung beteiligten.
„Dieses Projekt zeigt die Stärke der partizipativen Wissenschaft. Gut ausgebildete Freiwillige im richtigen Netzwerk können dazu beitragen, Daten von außergewöhnlicher Qualität in Größenordnungen zu generieren, die sonst unmöglich zu erreichen sind“, schließt Dr. Sébastien Puechmaille.

Weitere Informationen
Publikation: Nicola M. Fischer, Sebastien J. Puechmaille et al: Two distinct host-specialized fungal species cause white-nose disease in bats (2025). 
https://doi.org/10.1038/s41586-025-09060-5.

Ansprechpartnerinnen 

Dr. Nicola Fischer
Nicola.Fischerforst.bwlde

Dr. Elisabeth Böker
Pressesprecherin der Universität Greifswald
Hochschulkommunikation
Domstraße 11, Eingang 1, 17489 Greifswald
Telefon +49 3834 420 1150
pressestelleuni-greifswaldde

 

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