Fledermäuse sind, bezogen auf ihre Körpergröße, extrem langlebige Säugetiere. Sie bringen in der Regel nur ein Jungtier pro Jahr auf die Welt. Wie Primaten, Meeressäuger und Elefanten haben Fledermäuse eine hohe Lebenserwartung bei niedriger Reproduktionsrate. Daher ist das Überleben von Weibchen für den Fortbestand der bedrohten Bechsteinfledermaus entscheidend. In einem in Unterfranken gelegenen Untersuchungsgebiet haben Forschende über einen Zeitraum von 24 Jahren das Wachstum und die Sterblichkeit weiblicher Bechsteinfledermäuse dokumentiert. Die Daten wurden in Bezug gesetzt zu den Sommertemperaturen im jeweiligen Geburtsjahr. Es zeigte sich, dass höhere Temperaturen während der Aufzuchtphase im Juni und Juli zu größeren Körpergrößen bei Weibchen führen. Gleichzeitig hatten größere Weibchen eine erhöhte Sterblichkeit über ihr Leben hinweg.
„Das Untersuchungsgebiet in Unterfranken ist besonders geeignet für Forschungen zu den Folgen des Klimawandels. In dem Gebiet steigen die Sommertemperaturen im globalen und deutschlandweiten Vergleich überdurchschnittlich an. Die Auswertung unserer Langzeitdaten zeigt, dass in warmen Sommern geborene ausgewachsene Weibchen eine höhere Sterblichkeitsrate aufweisen. Das ist eine potenzielle Gefahr für den Fortbestand der bedrohten Art. Über die letzten 24 Jahre weist die Populationsentwicklung der beobachteten Fledermauskolonien keinen negativen Trend auf. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass sich mit häufiger werdenden warmen Sommern der negative Einfluss großer Körpergröße auf die individuelle Sterblichkeit stärker auf der Populationsebene auswirkt“, berichtet Carolin Mundinger, Hauptautorin der Studie.
Mittels moderner Modellierung bestimmten die Forschenden zunächst das Zeitfenster, in dem das Wachstum der Jungtiere am sensibelsten auf Witterungseinflüsse reagiert. Gleichzeitig wurden die Wetterparameter identifiziert, die dabei die größte Rolle spielen. Die Ergebnisse zeigen, dass warme Sommer nicht nur zu früheren Geburten führen. Jungtiere, die in warmen Sommern geboren wurden, werden größer. Grund ist, dass bei höheren Temperaturen weniger Energie für die Thermoregulation aufgewendet wird. Die eingesparte Energie steht für das Jungenwachstum zur Verfügung.
„Neben dem Wetter spielt auch die Koloniegröße eine entscheidende Rolle. Je mehr Weibchen gemeinsam in einer Kolonie leben, desto größer wird der Nachwuchs. Dabei ist vermutlich entscheidend, dass Weibchen sich gegenseitig wärmen und somit kalte Witterungsbedingungen abmildern, die die Entwicklung der Jungtiere verzögern würde“, ergänzt Prof. Dr. Gerald Kerth vom Zoologischen Institut und Museum an der Universität Greifswald.
Diese Langzeitstudie an freilebenden Fledermäusen wurde maßgeblich durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert, in den letzten sechs Jahren insbesondere durch das an der Universität Greifswald angesiedelte DFG Graduiertenkolleg 2010 „Biological Responses to Novel and Changing Environments“.
Weitere Informationen
Abteilung Angewandte Zoologie und Naturschutz am Zoologischen Institut und Museum der Universität Greifswald
Mundinger C, Scheuerlein A, Kerth G (2021): “Long-term study shows that increasing body size in response to warmer summers is associated with a higher mortality risk in a long-lived bat species,” in: Proceedings of the Royal Society B, 288: 20210508. https://doi.org/10.1098/rspb.2021.0508
Ansprechpartner*innen an der Universität Greifswald
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Dr. Alex Scheuerlein
alexander.scheuerleinuni-greifswaldde
Prof. Dr. Gerald Kerth
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