Greifswalder Studie liefert neue Ansätze, um Rechtsverstöße in Telegram zu verfolgen

Symbolbild Messengerdienst Telegram ©Patrick_Geßner
Messengerdienst Telegram, ©Patrick_Geßner
Das abgebildete Netzwerk besteht aus 2.362 deutschsprachigen Angeboten. Zwischen den Angeboten gibt es 17.607 Beziehungen in Form von Verlinkungen, Erwähnungen oder Weiterleitungen der Nachrichten. ©Chantal Gärtner
Das abgebildete Netzwerk besteht aus 2.362 deutschsprachigen Angeboten. Zwischen den Angeboten gibt es 17.607 Beziehungen in Form von Verlinkungen, Erwähnungen oder Weiterleitungen der Nachrichten. Besonders stark verknüpfte Angebote sind farbig abgegrenzt. Der türkisfarbene Bereich in der Mitte enthält viele verschwörungstheoretische und extremistische Angebote. ©Chantal Gärtner

Telegram ist eine Mischung aus Messenger und sozialem Netzwerk. In Telegram können Personen privat miteinander kommunizieren, sich in Gruppen austauschen oder Informationen in Kanälen einstellen. So entsteht ein Raum für sozialen Kontakt, kreativen Austausch und öffentliche Meinungsbildung. Der Zugang zu einzelnen Gruppen und Kanälen sowie die Sichtbarkeit der Informationen lässt sich in Telegram individuell einstellen. Dies bietet auch Extremismus, Desinformation und Verschwörungstheorien eine Angriffsfläche. Rechtsverstöße sind vor allem in den Bereichen Rechtsextremismus, Drogen- und Dokumentenhandel und Pornografie zu verzeichnen. Die Studie liefert konkrete Ansätze für die Medienaufsicht, um gegen Rechtsverstöße im Messengerdienst Telegram vorzugehen.

„In Messengerdiensten wie Telegram kann sich eine verdeckt-verteilte Öffentlichkeit herausbilden. Das ist vergleichbar mit der Kommunikation in Vereinen oder bei Veranstaltungen, zu denen man erst eingeladen werden muss. Der entscheidende Unterschied ist, dass sich die Menschen in Diensten wie Telegram auch anonym durch Weiterleitungen und Verlinkungen viel einfacher vernetzen können“, erläutert Dr. Jakob Jünger von der Universität Greifswald. Die Mitautorin der Studie, Chantal Gärtner M. A., fügt hinzu: „Kommunikationswissenschaftlich ist diese Form der Öffentlichkeitsbildung ein sehr spannendes Phänomen. Wir brauchen solche Räume für sozialen Kontakt, kreativen Austausch und die Entfaltung von Meinungen. Unsere Studien verdeutlichen einmal mehr, dass die Offenheit des Internets auch schädliche Kommunikation mit sich bringt. Hier stehen nicht nur die Medienregulierung, sondern wir alle vor einer Herausforderung: Es gilt die Meinungsfreiheit zu sichern und gleichzeitig vor Diskriminierung zu schützen.“

Die Studie hat weiterhin gezeigt, dass die Problemfelder Rechtsextremismus, Drogenhandel, Dokumentenhandel und Pornografie unterschiedlich organisiert sind. Im extremistischen Bereich sind besonders Kanäle mit Bezügen auf verbotene Organisationen und Kennzeichen auffällig. Illegaler Handel wird vorrangig durch Gruppen organisiert. Angebote mit entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten sind vergleichsweise weniger aktiv. Sie führen Nutzer*innen zu privaten Chats oder pornografischen Webseiten außerhalb von Telegram.

Viele Informationen sind miteinander vernetzt. So werden auf der einen Seite mitunter hohe Reichweiten generiert. Auf der anderen Seite gelangen Nutzer*innen auf diesem Weg leicht von einer Diskussion zu aktuellen Themen über desinformierende und verschwörungstheoretische Inhalte in extremistische Kontexte. Stark vertreten sind Akteure, die dem deutschen Mediensystem und dem Staat misstrauisch bis feindselig gegenüberstehen. Soziale Bewegungen wie QAnon verbreiten Verschwörungstheorien sowie Falschaussagen. Die Kommunikation ist oftmals emotional aufgeladen, diskriminierend und bewegt sich teilweise am Rande der Legalität. In einigen Kanälen werden Mechanismen wie Vorgruppen und Backupkanäle genutzt, um deren Kommunikationsfähigkeit zu sichern. Hier ergibt sich weiterer Forschungsbedarf, um die Entstehung verdeckt-verteilter Öffentlichkeit durch problematische soziale Bewegungen besser zu verstehen und angemessen reagieren zu können.

Weitere Informationen
Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft der Universität Greifswald
Landesanstalt für Medien NRW
Jünger J., Gärtner C. (2020): Datenanalyse von rechtsverstoßenden Inhalten in Gruppen und Kanälen von Messengerdiensten am Beispiel Telegram
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Ansprechpartner an der Universität Greifswald
Dr. Jakob Jünger
Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft
Ernst-Lohmeyer-Platz 3, 17489 Greifswald
Telefon +49 3834 420 3444
jakob.juengeruni-greifswaldde

Medieninformation


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