Fakt der Woche
Altersbilder
Positive Altersbilder: Wie sie unsere Gesundheit beeinflussen können
Was sind Altersbilder?
Unsere gesellschaftlichen und individuellen Sichtweisen auf das Älterwerden und alt sein werden auch als „Altersbilder“ bezeichnet. Zu solchen Altersbildern zählen die vorherrschenden Altersstereotype ebenso wie unsere Vorstellungen vom eigenen Älterwerden. Beide Formen von Altersbildern sind eng miteinander verbunden, da eigene Erfahrungen mit dem Älterwerden vor dem Hintergrund der von Kindheit an gelernten gesellschaftlichen Altersstereotype gemacht werden. Altersbilder sind nicht einfach positiv oder negativ. Vielmehr denken wir oftmals je nach Lebensbereich an positive Aspekte des Älterwerdens, zum Beispiel an Möglichkeiten der persönlichen Weiterentwicklung wie dem Verfolgen von persönlichen Zielen, dem Erlernen von neuen Dingen; zugleich verbinden wir mit dem Älterwerden häufig auch Verluste, z. B. gesundheitliche oder soziale Verluste.
Welche Rolle spielen Altersbilder dafür, wie lange wir leben?
Seit über 20 Jahren zeigt eine stetig steigende Zahl an umfangreichen Studien, die über lange Zeiträume von mehreren Jahrzehnten hinweg die Bevölkerung befragt und untersucht haben, dass unsere Altersbilder eine Rolle dafür spielen, wie gesund wir leben. Internationale Studien zeigen dabei übereinstimmend: Unser Denken, unsere Erwartungen und bisherigen Erfahrungen mit dem eigenen Älterwerden können zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden. Menschen, die mit dem Älterwerden Verluste verbinden, haben in den folgenden Jahren eine höhere Wahrscheinlichkeit, tatsächlich Verluste zu erleben; gewinnbezogene Altersbilder tragen demgegenüber zu gesünderem Altern bei. Positive Altersbilder sind jedoch nicht gleichzusetzen mit anderen psychischen Ressourcen wie z. B. einem höheren Optimismus. Vielmehr haben Vorstellungen vom eigenen Älterwerden über solche psychischen Ressourcen hinausgehenden Erklärungswert für die Gesundheit, wie verschiedene Studien zeigen konnten.
In einer kürzlich erschienenen Studie untersuchte das Wissenschaftliche Netzwerk Altersbilder mit Daten einer umfangreichen, bevölkerungsrepräsentativen Studie aus Deutschland (Deutscher Alterssurvey), ob Altersbilder nicht nur zu Gesundheit, sondern auch zu Langlebigkeit beitragen. Ausgangspunkt dieser Studie war eine US-amerikanische Vorgängerstudie, die vor rund 20 Jahren diesen Zusammenhang nachweisen konnte. Die deutsche Studie beruhte auf 2400 Personen, die im Jahr 1996 erstmals zu ihren Altersbildern befragt wurden. Sie waren damals zwischen 40 und 85 Jahre alt. Über die folgenden 23 Jahre wurde für alle dokumentiert, wer weiterhin lebte und wer wann verstarb – insgesamt verstarben 871 Personen. Wie bereits in der Vorgängeruntersuchung zeigte sich, dass Menschen mit positiven Altersbildern deutlich länger lebten. Im Gegensatz zur amerikanischen Untersuchung jedoch, in der nur ein einziges Altersbild betrachtet wurde, konnten in der deutschen Studie verschiedene Altersbilder in ihrer Rolle für die Langlebigkeit miteinander verglichen werden. Dabei zeigte sich: Verbinden Menschen mit dem Älterwerden soziale Verluste, geht das nicht mit kürzerer Lebenszeit einher und auch Altersbilder die sich auf körperliche Verluste beziehen, sind nicht entscheidend für die Langlebigkeit. Als bedeutsam erweisen sich jedoch insbesondere gewinnorientierte Altersbilder: Menschen, die das Älterwerden als Entwicklungsprozess sehen, leben im Durchschnitt 13 Jahre länger [1].
Warum leben Menschen mit positiven Altersbildern länger?
In den letzten Jahren hat die Forschung zunehmend damit begonnen, besser zu verstehen, welche Mechanismen für diesen Effekt von Altersbildern auf Gesundheit und Langlebigkeit verantwortlich sind, auch wenn noch viele Fragen offen sind [2].
Drei Wirkmechanismen lassen sich dabei unterscheiden: physiologische, verhaltensbezogene und psychologische. (1) In Bezug auf physiologische Mechanismen gibt es Hinweise darauf, dass eine positive Sicht auf das eigene Älterwerden zu einem geringeren Niveau von C-reaktivem Protein, einem Biomarker für chronische entzündliche Prozesse, beiträgt und dies in der Folge höhere Langlebigkeit vorhersagen kann. (2) Altersbilder können zudem gesundheitsrelevante Verhaltensweisen beeinflussen und auf diesem Weg eine Wirkung auf die Gesundheit entfalten. Deutlich wird dies beispielsweise anhand von Befunden zu körperlicher Aktivität. Haben ältere Menschen eine negativere Sicht auf das Älterwerden, sind sie deutlich seltener körperlich aktiv als Personen mit einer positiveren Sicht. (3) Schließlich können psychologische Mechanismen dazu beitragen, dass Altersbilder eine Wirkung auf die Gesundheit entfalten. Dazu zählen unter anderem Attributionen (Ursachenzuschreibungen). So konnte beispielsweise eine Studie zeigen [3], dass ältere Menschen, die ihr Alter als Ursache ihrer chronischen Erkrankung (z. B. Diabetes, Krebs, Arthritis) erachteten, weniger für ihre Gesundheit taten und eine doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit hatten, in den folgenden zwei Jahren zu versterben als Personen, die andere Gründe für ihre Erkrankung (zum Beispiel ihren Lebensstil) heranzogen.
Welche Schlussfolgerungen lassen sich ziehen?
Die Weltgesundheitsorganisation und die Vereinten Nationen haben den Zeitraum der Jahre 2021–2030 zur Dekade des gesunden Alterns erklärt. In diesem Zusammenhang wurde die Bekämpfung von negativen Altersbildern und Altersdiskriminierung zu einer zentralen Aufgabe erklärt. Der demographische Wandel schreitet voran, schon bald wird die große Gruppe der sogenannten Babyboomer in die nachberufliche Lebensphase eintreten. Gesellschaftlich benötigen wir eine größere Aufmerksamkeit dafür, wie stark unser Denken, Verhalten und unsere Sprache durch negative Altersbilder geprägt sind. Unser Wissen über das Älterwerden und Altsein ist teilweise verzerrt und manche Erfahrungen werden verallgemeinert. Dabei zeigt sich der Alternsprozess so individuell und vielfältig wie das Leben selbst. Es ist wichtig, vermeintliches Wissen zu hinterfragen, die Gesellschaft rund um das Thema Altwerden und Altsein zu informieren und für Altersbilder zu sensibilisieren. Persönlich kann Jede*r im Alltag auf eigene Denk- und Verhaltensmuster achten und diese gezielt durchbrechen, indem man sich folgende Fragen stellt: Wann erkläre ich bestimmte Dinge mit dem Alter einer Person (bzw. mit meinem eigenen Alter)? Welche alternativen Erklärungen außer dem Alter könnte es geben?
Quelle und weitere Informationen
[1] Wurm, S., & Schäfer, S. K. (2022). Gain- But Not Loss-Related Self-Perceptions of Aging Predict Mortality Over a Period of 23 Years: A Multidimensional Approach. Journal of Personality and Social Psychology, 123(3), 636-652. doi.org/10.1037/pspp0000412
[2] Wurm, S., Blawert, A., & Schäfer, S. K. (2022). The Importance of Views on Aging in the Context of Medical Conditions. In Y. Palgi, A. Shrira, & M. Diehl (Eds.), Subjective Views of Aging: Theory, Research, and Practice (pp. 289-307). Springer. doi.org/10.1007/978-3-031-11073-3
[3] Stewart, T. L., Chipperfield, J. G., Perry, R. P., & Weiner, B. (2012). Attributing illness to ‘old age:’ Consequences of a self-directed stereotype for health and mortality [Article]. Psychology & Health, 27(8), 881-897. doi.org/10.1080/08870446.2011.630735
Ansprechpartnerin an der Universität Greifswald
Prof. Dr. Susanne Wurm
Abteilung für Präventionsforschung und Sozialmedizin, Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald
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