Dienstvereinbarung "Sucht"

Dienstvereinbarung zur Prävention von Gesundheitsgefahren durch riskanten Suchtmittelkonsum sowie zum Umgang mit sichtbaren Auffälligkeiten am Arbeitsplatz in Verbindung mit Suchtmitteln an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald (DV-Sucht)

Zwischen der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, vertreten durch die Rektorin,
diese vertreten durch den Kanzler

und dem

Gesamtpersonalrat der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald,
vertreten durch die Vorsitzende,

wird nach § 66 in Verbindung mit § 69 Nr. 7 und § 70 Abs. 1 Nr. 8 des Personalvertretungsgesetzes M-V folgende Dienstvereinbarung abgeschlossen:

Präambel

Suchtmittelmissbrauch und -abhängigkeit haben sich zu schwerwiegenden Begleiterscheinungen der Gesellschaft und damit auch des Arbeitslebens entwickelt. Daraus erwächst für die Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald die Aufgabe, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen.

Suchtmittelmissbrauch und -abhängigkeit haben viele Erscheinungsformen, prägen das weitere Leben des Kranken nachhaltig und können als chronische Erkrankung in besonders schweren Fällen tödlich verlaufen, wenn sie nicht behandelt werden. Die Abhängigkeit von Suchtmitteln beeinträchtigt in erheblichem Maße das Denk- und Urteilsvermögen sowie die Leistungsfähigkeit der Betroffenen. Sie schränkt die freie Entfaltung der Persönlichkeit ein, zerstört soziale Bindungen, beeinträchtigt das Betriebsklima und kann schließlich die eigene Existenz gefährden. Bei fachgerechter Behandlung kann sie positiv beeinflusst und in ihren Auswirkungen vermindert werden. Die Erfolgsaussichten sind umso größer, je früher Hilfe in Anspruch genommen wird.

Insbesondere Vorgesetzte sollten solche Probleme frühzeitig erkennen und offen ansprechen. Sie müssen auf der Grundlage gesetzlicher Bestimmungen adäquate Forderungen nach einer Verhaltensänderung der Betroffenen stellen und deren Verlauf überwachen. Dazu gibt diese Dienstvereinbarung einen Handlungsrahmen.

Die Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald und die Personalvertretungen arbeiten entsprechend dem Ziel dieser Vereinbarung kontinuierlich zusammen. Dabei besteht Einigkeit, dass durch die Vereinbarung die dienst- und tarifrechtlichen Regelungen für den öffentlichen Dienst unberührt bleiben. 

§ 1 Geltungsbereich

Die folgende Vereinbarung gilt für alle Beschäftigten1,2 mit einer arbeitsrechtlichen Verpflichtung an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald.

  1. Der Begriff Beschäftigte umfasst die Hilfskräfte, Tarifbeschäftigten und die Beamten gleichermaßen.
  2. Alle Personen- und Funktionsbezeichnungen in dieser Dienstvereinbarung gelten für Frauen und Männer in gleicher Weise.

§ 2 Ziel der Dienstvereinbarung

  1. Die Universität nimmt mit dieser Vereinbarung ihre Verantwortung als Dienststelle wahr.
  2. Das sofortige Handeln beim Erkennen von akuten oder diffusen Auffälligkeiten durch Alkohol, Drogen oder Medikamente am Arbeitsplatz sowie die Hilfe für Abhängigkeitsgefährdete und Abhängigkeitskranke stellen eine wichtige Aufgabe der Personalführung dar.
  3. Mit der Dienstvereinbarung beabsichtigt die Universität: 
  • Aufklärungs- und Schulungsveranstaltungen für Beschäftigte insbesondere Führungskräfte durchzuführen, um so zum verantwortungsvollen Umgang mit Suchtmitteln beizutragen und einer Entstehung von Suchtverhalten vorzubeugen,
  • eine Suchtproblematik bereits anzusprechen, bevor arbeits- und dienstrechtliche Verfahren eingeleitet werden müssen,
  • den Betroffenen zu helfen, die Erkrankung bzw. Erkrankungsgefahr selbst zu erkennen und die Therapieangebote anzunehmen, damit arbeits- oder dienstrechtliche Konsequenzen vermieden werden können,
  • die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Arbeits-/Dienstfähigkeit zu sichern,
  • dem Wegsehen und Bagatellisieren durch das Umfeld („Co-Verhalten“) entgegenzuwirken,
  • das Problembewusstsein aller Beschäftigten in Bezug auf Suchmittelmissbrauch und Suchterkrankungen zu steigern,
  • den Führungskräften ein frühzeitiges Erkennen und richtiges Reagieren zu ermöglichen und ihnen einen verbindlichen und transparenten Handlungsrahmen an die Hand zu geben.

§ 3 Suchtmittel im Dienstgebrauch

Die Beschäftigten der Universität Greifswald dürfen sich nicht durch den Konsum von Suchtmitteln in den Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können. Dies gilt auch für die Einnahme von Drogen und Medikamente. Im Rahmen der regelmäßigen Arbeitsschutzbelehrung sind die Beschäftigten darauf hinzuweisen.

§ 4 Ansprechpartner und Beratung

  1. Ansprechpartner für Betroffene und Führungskräfte innerhalb der Universität sind:
    - der Kollegiale Berater und sein Stellvertreter,
    - der Betriebsarzt,
    - der Leiter des Personalreferates als Vertreter der Universität oder ein bestimmter Stellvertreter,
    - die Mitglieder der Personalräte,
    - ein Vertreter der Schwerbehindertenvertretung,
    - die Gleichstellungsbeauftragte,
    - die Fachkraft für Arbeitssicherheit.
  2. Alle Ansprechpartner unterliegen der Schweigepflicht.
  3. Jeder Beschäftigte der Universität hat das Recht, unter Berücksichtigung der ihm obliegenden Arbeits- und Dienstaufgaben während der Arbeitszeit bei den genannten Ansprechpartnern Informationen zu Möglichkeiten der Beratung einzuholen.

§ 5 Zuständigkeit der Vorgesetzten

  1. Den unmittelbaren Vorgesetzten kommt eine zentrale Rolle in der Suchtprävention zu. Sie tragen sowohl die Verantwortung für den Arbeitsschutz als auch für eine sachgerechte Intervention bei suchtmittelbedingten Auffälligkeiten. Sie unterstützen auffällig gewordene Beschäftigte auf dem Weg zur Veränderung bei der Übernahme von Eigenverantwortung sowie der Annahme fachgerechter Hilfe.
  2. Die Interventionen bei Auffälligkeiten auf der Basis dieser Dienstvereinbarung obliegen den unmittelbaren Vorgesetzten. Sie führen gegebenenfalls nach vorheriger Beratung mit Ansprechpartnern aus § 4 die Gespräche entsprechend des Interventionsplanes (Anlage) und beteiligen die dort vorgesehenen Personen.
  3. Bei Wiederaufnahme der Arbeit nach einer Therapie setzen sie die Maßnahmen zur Wiedereingliederung mit Hilfe aller im BEM (Betriebliches Eingliederungsmanagement) Beteiligten durch.

§ 6 Kollegialer Berater in der betrieblichen Suchtprävention

  1. Die Bestellung in das Nebenamt des Kollegialen Beraters und des Stellvertreters in der betrieblichen Suchtprävention beruht auf Eignung, Freiwilligkeit und Interesse und erfolgt durch die Dienststelle im Einvernehmen mit dem Personalrat. In der Funktion des Kollegialen Beraters und seines Stellvertreters sind beide Geschlechter zu besetzen.
  2. Der Kollegiale Berater und der Stellvertreter sind gehalten, sich regelmäßig auf dem Gebiet der Suchthilfe fortzubilden. Die anfallenden Kosten trägt die Universität.
  3. Für die Dauer der Aus- und Fortbildung in der Suchtprävention und -hilfe sowie seine Beratertätigkeit werden der Kollegiale Berater und sein Stellvertreter in Abwägung der ihm obliegenden Arbeits- bzw. Dienstaufgaben von seiner dienstlichen Tätigkeit freigestellt. 

Aufgaben des Kollegialen Beraters sind: 

  • Beratung und Unterstützung von Betroffenen und der Dienststelle in allen Fragen der Suchtprävention und bei Abhängigkeitserkrankungen,
  • Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen,
  • Kooperation und Koordination mit psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstellen in der umliegenden Region,
  • Teilnahme an Gesprächen im Rahmen des Interventionsplanes, wenn der betroffene Beschäftigte dem zustimmt,
  • Mithilfe bei der Verwirklichung der Ziele nach § 2 dieser Vereinbarung. 

Wird der Kollegiale Berater in einer unter Absatz 3 genannten oder auch anderen Aufgabe nachgefragt (z.B. Beratung von Vorgesetzten, Anwesenheit im Interventionsplangespräch), dann muss der Kollegiale Berater in dieser Aufgabe explizit beauftragt werden. Die entsprechende Aufgabe muss abgelehnt werden, wenn der Kollegiale Berater gleichzeitig einen Betroffenen aus einer der involvierten Strukturen berät oder der Betroffene muss dem zustimmen.

§ 7 Vorgehen bei Verdacht auf Suchtmittelmissbrauch

  1. Beschäftigte, die erkennbar aufgrund eines Suchtmittelkonsums nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, dürfen mit dieser Arbeit nicht betraut werden. Der Vorgesetzte ist in diesen Fällen verpflichtet einzugreifen, in der Regel indem er ihn darauf anspricht und handelt.
  2. Im Falle einer Einschränkung der Arbeitsfähigkeit durch den Konsum von Alkohol oder anderer Suchtmittel wird folgendes vereinbart: 
  • Entscheidungen, die Annahme der Arbeitsleistung abzulehnen und die betroffene Person nach Hause zu schicken, trifft der Vorgesetzte oder sein Stellvertreter.
  • Der Vorgesetzte oder sein Stellvertreter zieht, wenn möglich, eine weitere Person zur Beweishilfe hinzu; sofern keine weitere Person hinzugezogen werden kann, muss der Vorgesetzte oder sein Stellvertreter die Entscheidung allein treffen.
  • Trifft der Vorgesetzte oder sein Stellvertreter die Entscheidung, dass die betroffene Person die Arbeit nicht antreten oder fortsetzen kann, so ist diese nach Hause zu schicken. Der Vorgesetzte oder sein Stellvertreter hat zu garantieren, dass die betroffene Person sicher nach Hause gelangt.
  • Wird ein Heimtransport veranlasst, übernimmt die vor Ort entstehenden Auslagen (z. B. Beförderungsentgelt) grundsätzlich die Dienststelle. Die betroffene Person wird in Regress genommen. Für die ausgefallene Arbeitszeit besteht kein Anspruch auf Bezüge bzw. Entgelt.
  • Der Vorgesetzte oder sein Stellvertreter fertigt einen Vermerk über den Vorfall an und lässt ihn auf dem Dienstweg in einem fest verschlossenen Umschlag der Personalverwaltung, in Kopie dem Beschäftigten zukommen.
  • Für den Beschäftigten besteht selbstverständlich die Möglichkeit, durch den Betriebsärztlichen Dienst oder durch seinen Hausarzt den Verdacht eines Suchtmittelmissbrauches auszuräumen.

§ 8 Vorgehen bei Suchtmittelmissbrauch

  1. Liegt (wiederholt) arbeitsvertrags- oder dienstrechtswidriges Verhalten eines Beschäftigten vor, das im Zusammenhang mit dem Konsum von Suchtmitteln steht, sind die Vorgesetzten, aber auch alle beteiligten Kollegen angehalten, den Betroffenen auf sein Verhalten anzusprechen und auf Hilfsmöglichkeiten hinzuweisen. Der Vorgesetzte ist verpflichtet, gemäß dem Interventionsplan (siehe Anlage) vorzugehen.
  2. Ziel des Interventionsplanes soll sein, die Betroffenen in einem abgestuften Konzept zu motivieren, ihr Verhalten zu verändern und damit ihre Arbeitsfähigkeit sowie ihren Arbeitsplatz zu erhalten.
  3. Kommt es aufgrund der Stufengespräche lediglich zu einer vorübergehenden Änderung des Verhaltens der betroffenen Person, so wird der Interventionsplan an der Stelle fortgesetzt, an der er unterbrochen wurde.
  4. Als Rückfallzeitraum gilt die in § 10 beschriebene Frist zur Vernichtung von Unterlagen. Nach Ende der Aufbewahrungsfrist von drei Jahren wird der Fall als Neuerkrankung bewertet.

§ 9 Wiedereingliederung am Arbeitsplatz

  1. Gegen Ende einer stationären oder ambulanten Therapie wird dem Betroffenen gemäß der gesetzlichen Verpflichtung ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) angeboten. Besondere Bedeutung fallen hier dem Kollegialen Berater, dem Betriebsärztlichen Dienst und gegebenenfalls der Fachkraft für Arbeitssicherheit zu, die ein vorbereitendes Eingliederungsgespräch anbieten. Im Einzelfall soll entschieden werden, ob ein weiteres Gespräch durchgeführt werden soll.
  2. Ein weiteres Eingliederungsgespräch kann nach angemessener Zeit (ca. zwei Monate nach erfolgter Arbeitsaufnahme) durchgeführt werden. Teilnehmer sind die in Absatz 1 genannten Personen. In diesem zweiten Gespräch sollen eventuelle Probleme aus der zurückliegenden Eingliederungsphase erörtert werden.

§ 10 Aufbewahrung von Unterlagen, Datenschutz

Sämtliche die Personalsache betreffenden mündlichen und schriftlichen Angelegenheiten unterliegen der strengen Vertraulichkeit. Die schriftlichen Unterlagen, die nach dieser Vereinbarung entstehen, unterliegen nicht der allgemeinen Akteneinsicht, sondern werden als vertrauliche Personalsache gekennzeichnet und analog der Regelung für Gesundheitszeugnisse verwahrt. Unabhängig davon werden Abmahnungen aufgrund Suchtmittelmissbrauchs unter den arbeitsrechtlichen Voraussetzungen nach angemessener Frist, grundsätzlich nach drei Jahren aus der Personalakte entfernt. Für die Tilgung von Disziplinardaten gilt § 18 Landesdisziplinargesetz. Die Weitergabe gesundheitsbezogener Daten an Dritte ist untersagt.

§ 11 Kündigungsklausel

Die Bedingungen für die Kündigung dieser Dienstvereinbarung richten sich nach § 66 des Personalvertretungsgesetzes M-V. Die Nachwirkung wird ausgeschlossen. 

§ 12 Salvatorische Klausel

Sollten sich einzelne Regelungen dieser Dienstvereinbarung als unwirksam erweisen, wird dadurch die Wirksamkeit der übrigen Regelungen nicht berührt. Anstelle der unwirksamen Regelung ist eine neue wirksame Regelung zu setzen, welche dem Sinn und Zweck der ursprünglichen, unwirksamen Regelung möglichst nahe kommt. Die vorstehenden Bestimmungen gelten entsprechend für den Fall, dass sich die DV als lückenhaft erweist.

§ 13 Inkrafttreten

Diese Dienstvereinbarung tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft. Sie wird allen Beschäftigten in geeigneter Weise bekannt gemacht. Gleichzeitig tritt die Dienstvereinbarung vom 28.07.2014 außer Kraft. 

Greifswald, den 05.04.2017

Dr. Wolfgang Flieger (Kanzler)

Petra Engler (Vorsitzende des Gesamtpersonalrates)