Stellungnahme des Senats der Universität Greifswald

Der erweiterte Senat der Universität Greifswald spricht sich vor dem Hintergrund der derzeitigen Haushaltslage des Landes gegen die Einrichtung einer weiteren öffentlichen Hochschule in der Landeshauptstadt Schwerin aus. Ebenso lehnt der erweiterte Senat die Einrichtung einer Außenstelle einer anderen Hochschule in Schwerin zum jetzigen Zeitpunkt ab.

Grundsätzlich ist es begrüßenswert, dass die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern Forschung und Lehre stärken und über das bisherige Maß hinaus in die Hochschullandschaft investieren will, gleichzeitig ruft der erweiterte Senat der Universität den Landtag und die Landesregierung auf, zunächst die auskömmliche, wettbewerbsfähige Finanzierung der bestehenden und etablierten Hochschulstandorte dauerhaft sicherzustellen, bevor die Etablierung einer weiteren Hochschule oder einer Außenstelle einer bestehenden Hochschule ernsthaft in Erwägung gezogen wird.

Ansprechpartner an der Universität Greifswald
Prof. Dr. Uwe Bornscheuer
Senatsvorsitzender
Domstraße 11, Eingang 3, 17489 Greifswald
Telefon 03834 420 4367
uwe.bornscheueruni-greifswaldde
senatuni-greifswaldde

 

Begründung

Der Koalitionsvertrag der Regierungsparteien SPD und DIE LINKE formuliert unter Ziffer 310 den folgenden Prüfauftrag: „Die Koalitionspartner werden prüfen, ob in Schwerin ein Hochschulstandort entstehen kann. Dieses Projekt wird nicht zulasten der anderen Hochschulstandorte verfolgt.“

Die Landeshauptstadt Schwerin bemüht sich bereits seit Jahrzehnten um die Einrichtung einer öffentlichen Hochschule. In der Schweriner Stadtvertreterversammlung war das Thema mehrfach Beratungsgegenstand. 2006 erfolgte die Gründung des Vereins „Förderer von Hochschulen in Schwerin e. V.“ Auch in der jährlich stattfindenden Wissenschaftswoche in Schwerin wurde die Forderung nach einer Schweriner Hochschule wiederholt.

Im Januar 2019 wurde – soweit nachverfolgbar – erstmals im Landtag unter dem Antragstitel „Schwerin als Hochschulstandort berücksichtigen“ (DIE LINKE) über die Gründung einer staatlichen Hochschule des Landes in Schwerin debattiert. 1 Dabei sei es egal, „ob als Außen- oder eigenständiger Standort und mit welcher konkreten Ausrichtung“2. Die Regierungsmehrheit lehnte den Antrag u.a. unter Verweis auf noch ausstehende Vorarbeiten auf kommunaler Ebene und laufende Gespräche ab.3 Der Diskussion im Landtag schloss sich 2019/2020 die vornehmlich von Teilen der SPD und CDU angestoßene Debatte um die Einrichtung einer Pädagogischen Hochschule für MV in Schwerin zu Lasten der beiden Universitäten als Trägerinnen der ersten Phase der Lehrer*innenbildung an. Die Idee wurde letztlich angesichts der absehbaren Mehrkosten nicht weiterverfolgt und stattdessen u.a. die Universität Greifswald um einen Studiengang Grundschullehramt ausgebaut.

2020 wurde ein von 20 Institutionen, Verbänden und Vereinen getragenes Konzept „Schwerin als Wissenschafts- und Hochschulstandort weiterentwickeln“ in der Schweriner Stadtvertreterversammlung bestätigt und den Landtagsfraktionen von SPD, CDU und DIE LINKE übergeben.4 Darüber hinaus weist der 2021 gültige Hochschulentwicklungsplan die Gründung einer Außenstelle in Schwerin aus.5

Insgesamt zeichnen sich aktuell vier Diskussionsstränge ab:
1.) Die Einrichtung einer Schweriner Hochschule, die die bestehende Verwaltungsfachhochschule in Güstrow (Träger: Innenministerium MV) entlasten soll.6
2.) Die Einrichtung einer Berufsakademie, die nach einem zu beschließenden Landesberufsakademiegesetz duale Studiengänge mit großen Praxisanteilen vorhält – etwa in den Bereichen Soziales, Tourismus, Technik und Wirtschaft.7
3.) Die Einrichtung einer Hochschule für Nachhaltigkeitsforschung und Entwicklung ländlicher Räume, für die seit Ende 2019 ein Konzept vorliegt. Die Hochschule soll die verschiedenen bestehenden Ansätze, die es landesweit zum Thema Nachhaltigkeit/ländliche Räume gibt, auf einem Campus zusammenführen.8
4.) Die Einrichtung einer Landeskunstakademie, wobei MV zu den wenigen Bundesländern gehört, die bislang über keine entsprechende Institution verfügen.9

Die zunehmenden Bestrebungen Schwerins, eigenständiger Hochschulstandort zu werden, spiegeln sich auch in der erfolgreichen Einladung des Philosophischen Fakultätentages im Zeitraum 25.-27.05.2023 nach Schwerin wider.10 Dieser wird (soweit nachvollziehbar) erstmals nicht an einer Universität bzw. in einer Hochschulstadt ausgerichtet.

Vor dem Hintergrund der grundsätzlich nicht auskömmlichen Finanzausstattung der bestehenden Hochschulen des Landes, den in 2023 erfolgten globalen Minderausgaben, den inflationsbedingten gestiegenen Kosten sowie den absehbaren Kürzungen im Doppelhaushalt des Landes für die Jahre 2024 und 2025 ist der Ausbau eines weiteren Hochschulstandortes – unabhängig von der konkreten Ausgestaltung als neue Hochschule/Berufsakade-mie oder als Außenstelle – zwangsläufig mit schwerwiegenden Mittelkürzungen für die bestehenden Hochschul-standorte verbunden.

Eine parlamentarische Anfrage an die Landesregierung zum Stand der Planungen für die Errichtung einer Hochschule in Schwerin im Mai 2022 beantwortete die Landesregierung wie folgt „[B]ei diesem Vorhaben ist auch der sachliche Zusammenhang zur Entwicklung einer Wissenschafts- und Forschungsstrategie 2030 mit zu bedenken. Die Landesregierung hat aber bereits in der letzten Legislaturperiode diesbezügliche Gespräche mit den verschiedenen Akteuren in der Landeshauptstadt geführt. Diese werden seitens des Ministeriums für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten weitergeführt.“

1 Antrag DIELINKE Drucksache 7/3058 09.01.2019.
2https://www.welt.de/regionales/mecklenburg-vorpommern/article186973790/Schwerin-will-eine-staatliche-Hochschule-Thema-im-Landtag.html  (zuletzt 06.02.2023).
3 Plenarprotokoll (Landtag Mecklenburg-Vorpommern, 7. Wahlperiode, 56. Sitzung, 24. Januar 2019, S. 93-99): https://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok/dokument/43340/plenarprotokoll_7_56.pdf . Insbesondere die HS Wismar wird hier genannt. Mit deren Rektor sei in den zurückliegenden Wochen beraten worden. Sollte „es beispielsweise Überlegun-gen geben, weitere Studiengänge einzurichten, zusätzlich, dann kann man sich auch durchaus vorstellen, das in Schwerin zu tun.“ (MdL Sebastian Ehlers, CDU, S. 99).
4https://bis.schwerin.de/getfile.asp?id=167142&type=do ; Dieses Konzept favorisiert als Partner für einen Aufbau staatlicher Hochschulstrukturen in Schwerin die Hochschule Wismar (S. 5).
5 Der HEP der HS Wismar ist nicht öffentlich einsehbar. Die Aussage stammt aus einer Antwort des Schweriner Oberbürger-meisters auf eine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 16.03.2021: „Mit der Hochschule Wismar gab es im vergangenen Jahr Gespräche mit dem Ziel einer engen Verzahnung und einer Etablierung einer Außenstelle in Schwerin. […[ Mit dem Rektor der Hochschule Wismar wurden bereits Ansatzpunkte für die Schaffung einer Hochschul-Struktur mit Wismar besprochen. In der Entwicklungsplanung der HS Wismar ist eine Außenstelle Schwerin vorgesehen.“ (S. 2, Zif. 2), vgl. https://www.die-linke-schwerin.de/fileadmin/kreise/schwerin/user/upload/2021-02-23_Anfrage_LINKE_Schwerin_als_Wissen-schafts-_und_Hochschulstandort_entwickeln.pdf  (zuletzt 06.02.2023).
6 https://www.ostsee-zeitung.de/mecklenburg-vorpommern/eine-paedagogische-hochschule-in-schwerin-CLY-CLB3MP6GW6AL2JNA6FO32IQ.html  (zuletzt 06.02.2023).
7https://www.svz.de/lokales/schwerin/artikel/wird-schwerin-zum-hochschulstandort-so-steht-es-um-die-plaene-43620314  (zuletzt 06.02.2023).
8https://www.svz.de/lokales/schwerin/artikel/eine-uni-fuer-die-landeshauptstadt-schwerin-20790012  (zuletzt 06.02.2023).
9https://www.svz.de/lokales/schwerin/artikel/schwerin-stadtvertreter-fordern-staatliche-kunstakademie-fuer-mv-42430289  (zuletzt 06.02.2023).
10https://www.phft.de/plenarversammlungen/ . Inhaltlich soll das Thema Lehrerbildung vertieft werden.